
Text 10 - 14.12.2024: Wildschafe und Asiatische Hirsche in Deutschland!
Datum 14.12.2024 16:20:00 | Thema: Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten
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Der Europäische Mufflon (Ovis gmelini musimon, Synonym Ovis orientalis musimon oder auch Ovis aries musimon), von Jägern auch Muffelwild oder kurz Muffel genannt, ist ein Wildschaf mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 130 Zentimeter, eine Körperhöhe von 90 Zentimeter und einem Gewicht bis zu maximal 70 Kilogramm. Es ist damit etwas größer als ein durchschnittliches Reh.
Die (männlichen) Widder sind im Sommer fuchsrotbraun, die (weiblichen) Schafe immer bräunlich gefärbt. Mufflons haben Hörner, auffällig sind die großen kreisförmigen Hörner der Widder.
Ursprünglich war der Mufflon im Kaukasus, in Anatolien, im nördlichen Irak und im nordwestlichen Iran und auch auf der Krim und bis zum Balkan und den Karpaten verbreitet. Nach genetischen Daten gilt die anatolische Unterart Ovis gmelini anatolica als Stammform aller Hausschafe.
Das Europäische Mufflon war ursprünglich als vermutlich verwilderte Form des domestizierten und durch Menschen verbreiteten anatolischen Mufflons nur auf den Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien heimisch, inzwischen ist er aber auch in zahlreichen anderen Gebieten Europas verbreitet.
In den letzten 200 Jahren sind Europäische Mufflons in Europa an verschiedenen Stellen ausgesetzt worden.
Bereits Prinz Eugen von Savoyen (1663 -1736), einer der bedeutendsten Feldherren und Staatsmänner der österreichischen Geschichte, hielt in seinem Wiener Tierpark Muffelwild. Davon gelangten einige in den Lainzer Tiergarten, eine Naturlandschaft am Rande Wiens. Im Jahr 1840 führte man dort weitere 19 Exemplare aus Korsika und Sardinien ein. Nach zwanzig Jahren konnten dort bereits 60 Widder geschossen Werden. Mit etwas später in anderen Regionen des österreichischen Kaiserreiches (so in Ungarn, Böhmen und Schlesien) ausgesetzten Tieren gab es ähnliche Erfahrungen.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden sie direkt aus Sardinien und Korsika als Park- und Jagdwild auch in Deutschland eingeführt.
Die Hauptvorkommen des Europäischen Mufflons befinden sich heute deshalb in Tschechien, Deutschland, Ungarn und Österreich.
Die Tiere machen den Förstern aber oft nicht nur Freude, da sich Mufflons vorzugsweise von Jungpflanzen des Waldes ernähren.
Jagdzeit für Mufflons ist der 1. bis 31. Mai (Widder) sowie der 1. September bis 31. Januar (Altschafe, Schmalschafe, Lämmer, Widder).
Der sich in Deutschland immer mehr ausbreitende Wolf gefährdet und vernichtet nun die hiesigen Mufflonbestände, wie Meldungen der letzten Jahre belegen:
Niedersachsen (2019): Der Wolf löschte einen langjährigen Mufflon-Bestand aus, das Vorkommen in der Göhrde gibt es nicht mehr. Bereits 1903 waren hier die ersten Mufflons von einem Hamburger Kaufmann ausgesetzt worden. Sie vermehrten sich stetig, bis dann die Wölfe kamen.
Noch 2016 grasten östlich von Lüneburg rund 300 Wildschafe. Nun sind die Mufflons weg – und damit das älteste deutsche Mufflonvorkommen.
Bayern (2022): Das Mufflonvorkommen in der Rhön ist durch den Wolf erloschen. Vom Truppenübungsplatz Wildflecken (Bayern) sind rund 200 Mufflons völlig verschwunden.
Brandenburg (2022): Die Ausbreitung des Wolfes hat nachweislich dazu geführt, dass regionale Muffelwildbestände in Brandenburg als ausgerottet gelten müssen.
Harz (2022): Die Population im Ostharz entwickelte sich zu der bedeutendsten in Deutschland – nun bedrohen Wolf und Luchs das Muffelwild auch im Harz.
Grund dafür ist das sehr spezielles Fluchtverhalten der Mufflons, das die Tiere in ihrer bergigen Heimat Korsika und Sardinien ausgebildet haben und bis heute vererben. Ein kurzer Sprint auf Felsen oder Klippen reichte dort zum Schutz vor Jägern.
Gegenüber dem nach Deutschland zurückkommenden Wolf hilft dies aber nicht - ein kurzer schneller Sprint und dann auf (hier nicht vorhandenen) Felsen und Klippen stehen bleiben rettet nicht.
Eine funktionierende Koexistenz von Wolf und Muffelwild ist wie sich zeigte nicht möglich, deshalb ist ein aktives Management des Wolfes nötig. Das bedeutet, dass Wölfe in Muffelwild-Vorkommensgebieten nicht geduldet sondern dauerhaft vertrieben oder abgeschossen werden müssen.
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Der Damhirsch (Dama dama), auch Damwild genannt, ist ein mittelgroßer Hirsch - deutlich größer als ein Reh, aber kleiner und insbesondere leichter als ein Rothirsch.
Typisch ist das bis zu 70cm lange markante Schaufelgeweih der männlichen Tiere und das häufig gefleckte Sommerfell.
Der Damhirsch hat eine Kopf-Rumpflänge von 120 bis 140 Zentimetern, eine Schulterhöhe bis zu 100 Zentimetern und ein Gewicht bis zu maximal 120 Kilogramm.
Er ist sehr anpassungsfähig und besiedelt unterschiedliche, vor allem lichtere, Wald-Lebensräume. Damhirsche bevorzugen deckungsreiche Laub- und Mischwälder mit Freiflächen und Lichtungen, lassen sich aber auch gut in Gattern halten.
Die Tiere können 15-20 Jahre alt werden.
Die rein pflanzliche Nahrung dieser Wiederkäuer besteht aus Gräsern und Kräutern, Jungtrieben und Blättern, Baumrinde, Pilzen sowie Baumfrüchten wie Eicheln und Bucheckern.
Im Vergleich mit Reh und Rothirsch ist der Damhirsch die genügsamere Art, forstwirtschaftliche Schäden sind erst bei Wilddichtewerten deutlich über denen des Rotwildes festzustellen.
Prädatoren des Damhirsches sind der Wolf, der Luchs und Greifvögel (Kälber).
Nach der letzten Eiszeit war das Vorkommen der Damhirsche wohl auf Vorderasien einschließlich Kleinasien beschränkt, spätestens durch die Römer wurde er dann als Opfertier in viele Regionen Europas eingeführt.
Heute ist der Damhirsch in Europa relativ weit verbreitet, da er vor allem während der Zeit des Absolutismus auch als jagdbares Hochwild eingeführt wurde.
So sandte der dänische König Friedrich II. 1577 von seiner aus England stammenden Zucht dem kurhessischen Landgrafen Ludwig IV. 30 Damhirsche, die dieser in seinem Wildpark in der Nähe der Sababurg (im Reinhardswald im nordhessischen Landkreis Kassel) hielt. Hier liegt der Ursprung der heutigen Bestände an Damwild in Deutschland und Mitteleuropa.
In Deutschland gilt die Art als nicht heimisch, da sie für jagdliche Zwecke eingeführt und ausgesetzt wurde.
Gemäß § 2 Bundesjagdgesetz (BJagdG) gehört der Damhirsch zu den jagdbaren Arten und hat geschlechter- sowie altersspezifische Jagdzeiten.
Die größten Bestände an Damhirschen gibt es aktuell in Großbritannien. Niedersachsen ist heute das damhirschreichste deutsche Bundesland. Nach wie vor wird der Damhirsch in einigen Regionen in großen Gattern gehegt.
Der Damhirsch kommt mittlerweile auch außerhalb Eurasiens vor und hat auch in der Wildtierhaltung zur Fleischerzeugung z.B. in Neuseeland eine große Bedeutung.
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Der Sikahirsch (Cervus nippon) ist deutlich kleiner als ein Rothirsch und etwa so groß wie ein Damhirsch.
Diese Hirsche erreichen eine Kopf-Rumpflänge von maximal 140 Zentimeter, eine Widerrist-/Schulterhöhe bis 100 Zentimeter und ein Gewicht bis zu 80 Kilogramm. Die Tiere haben ähnlich dem Damhirsch ein braunes Fell mit weißen Flecken auf dem Rücken. Gut zu unterscheiden ist der Sikahirsch vom Damhirsch aber durch sein nicht schaufelartiges Geweih, das links und rechts jeweils nur eine Stange mit je zwei bis fünf Enden bildet.
Der Sikahirsch ist ein aus Ostasien stammender Hirsch. Er wurde in Europa im 19. Jahrhundert von dem japanischen Kaiser als Geschenk bei einem offiziellen Staatsbesuch an den französischen Präsidenten eingeführt. Diese ursprünglich aus Ostasien stammende Art ist durch Einbürgerung heute in vielen Gegenden der Welt verbreitet, so in Europa (Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Litauen, Österreich, Polen, der Schweiz, Tschechien, Ukraine), der Mongolei, Armenien, Aserbaidschan, den Philippinen, USA (Neuengland, Texas), Australien, Neuseeland, Marokko und Madagaskar.
Den größten europäischen Bestand gibt es aktuell in Irland.
Mir sind diese schmucken Tiere seit meiner Kindheit in der Unterart des im Tierpark Berlin seit langem gehaltenen aus dem nördlichen Vietnam stammenden Vietnam-Sikas (Cervus nippon pseudaxis) bekannt.
Der Sikahirsch bevorzugt dichte Waldgebiete (Wälder mit einem dichten Unterwuchs), ist aber auch in Sumpf- und Wiesengebieten anzutreffen.
Er ist ein reiner Pflanzenfresser und ernährt sich von Gräsern, Kräutern, Feldfrüchten, Blättern, Knospen, Trieben, Baumrinden, Beeren, Früchten und Eicheln.
In Deutschland ist der Sikahirsch ein Neozoon: 1893 wurden die ersten Sikahirsche als Parkwild eingeführt. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich aus entflohenen und ausgesetzten Tieren wild lebende Populationen von Sikahirschen entwickelt. 1930 wurden wohl erstmals Tiere aus Gatterhaltung in die freie Wildbahn entlassen, so im Arnsberger Wald und bei Rundhof.
Bisher gibt es die folgenden fünf Hauptverbreitungsgebiete:
Hüttener Berge (Schleswig-Holstein), Schwansen, Ostangeln (Schleswig-Holstein), Weserbergland (Niedersachsen), Sauerland (Nordrhein-Westfalen) und Klettgau (Baden-Württemberg).
Gemäß § 2 Bundesjagdgesetz (BJagdG) gehört der Sikahirsch zu den jagdbaren Arten und hat sowohl geschlechter- wie auch altersspezifische Jagdzeiten.
Die Hirschart wird vom Bundesamt für Naturschutz als Neozoon und auch als potenziell invasive Art eingestuft, weil sie sich mit dem heimischen Rothirsch paaren und dadurch genetisch vermischen kann.
Der Rothirsch (Cervus elaphus) und der Sikahirsch (Cervus nippon) pflanzen sich nicht nur miteinander fort, sondern zeugen auch fortpflanzungsfähige Hybriden.
Als ich Dexi dazu um seine fundierte Biologenmeinung bat, meinte der, dass „dies anders ist als bei Maultieren und Mauleseln – den Kreuzungsnachkommen von Pferd und Esel – und ein Indiz dafür, dass es möglicherweise doch (noch) nicht zwei wirklich unterschiedliche Arten sind“.
Und weiter „dass Sikakühen das Röhren der Rothirsche besser zu gefallen scheint als Rothirschkühen das Röhren der Sikahirsche – könnte ein Hinweis auf gemeinsame und dem Rothirsch ähnelnde Vorfahren beider Spezies sein“.
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Der Chinesische Muntjak (Muntiacus reevesi), auch oft als Zwergmuntjak bezeichnet, ist mit einer Schulterhöhe von bis zu 50 Zentimetern und einem Gewicht bis zu 33 Kilogramm der kleinste Vertreter der Muntjak- Gattung, die ursprünglich nur in Asien lebende kleine Zwerghirsche umfasst.
Muntjaks haben ein kurzes braunes Fell und tragen ein einfaches Geweih mit je Stange nur ein oder zwei Enden, das nicht länger als 15 Zentimeter wird. Sie besitzen im Oberkiefer lange herausragende Eckzähne.
Die Art kommt ursprünglich im zentralen und südlichen China sowie auf Taiwan vor. Sie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in England eingeführt - ebenso in Frankreich, wo sie heute aber nicht mehr vorkommt. In ihrem Ursprungsgebiet bewohnen Muntjaks Wälder der gemäßigten sowie der subtropischen und tropischen Zone bis 400 m Höhe, aber auch in alpinem Grasland bis zu 3.500 m Höhe. In England ist er in dichten Wäldern heimisch.
Muntjaks bellen bei Bedrohung wie Hunde. Sie werden deshalb im Englischen auch als „Barking Deer“ (bellende Hirsche) bezeichnet.
In Großbritannien gibt es aktuell über 40.000 freilebende Muntjaks. Genetische Studien haben ergeben, dass die gesamte Population auf eine Ansiedlung von nur acht Tieren zurückzuführen ist. In England hat sich der Muntjak vor allem im Süden flächendeckend ausgebreitet.
In Europa kommt der Muntjak laut dem „Invasive Species Compendium“ freilebend derzeit außerdem in Belgien, Irland und den Niederlanden vor.
Seit dem Frühjahr 2020 sind nun auch in Deutschland (Schleswig-Holstein) immer wieder freilebende Chinesische Muntjaks gesichtet worden.
Dabei handelt es sich wohl eine etablierte Population: Seit mehreren Jahren werden regelmäßig Tiere gesehen, erlegt oder überfahren.
Studien aus Großbritannien zeigen, dass dort, wo sich Muntjaks stark ausbreiten, der Rehwildbestand einbricht. Zudem bringen Muntjaks neue Krankheiten und Parasiten mit. Die Konsequenzen für die heimische Fauna sind deshalb nicht kalkulierbar. Wenn die Muntjaks das Unterholz, den Unterwuchs, Hecken und Grasbewuchs wegfressen, zerstören sie diese Brut- und Futterplätze wie auch die Nahrung von Insekten und Vögeln. Vögel wiederum leben von Insekten. Somit haben Muntjaks Einfluss auf diese gesamte Nahrungskette in diesen Biotopen.
Eine EU-Verordnung hat Muntjaks und andere invasive Arten deshalb auf eine Verbotsliste gesetzt - sie werden als schädlich für die heimische Flora und Fauna eingeschätzt.
Diese Tierarten dürfen sich EU-weit auch in Tierparks und Zoos nicht mehr fortpflanzen. Die Muntjaks müssen besonders ausbruchssicher gehalten werden und sollen so über die Jahre selbst aus den Tiergärten verschwinden. Denn nicht einmal Zoos können hundertprozentige Ausbruchssicherheit bieten.
Also wird es nur noch ein paar Jahre dauern, bis das letzte Muntjak aus einem Zoo verschwunden ist. In der EU wird es dann wahrscheinlich bis auf ein paar noch nicht ausgerottete Restbestände keine Muntjaks mehr geben. Wer trotzdem eines dieser Tiere sehen will, muss dafür nach England fahren, das nicht mehr in der EU ist.
Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © November 2024.
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