Text 16 - 31.01.2025: Kolumbien: Pablo Escobars »Kokain-Nilpferde« im Río Magdalena!

Datum 31.01.2025 09:20:00 | Thema: Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten

Eines der verblüffendsten Kapitel zu invasiven Tierarten wurde in Kolumbien geschrieben.

Das zu den Paarhufern gehörende Flusspferd (Hippopotamus amphibius) gehört zu den früher von Großwildjägern als „Big Five“ bezeichneten großen Tierarten Afrikas (neben Elefant, Nashorn, Kaffernbüffel und Löwe).

Nilpferd war der ursprüngliche Name des erstmals als am Ufer des Nils lebend beschriebenen Dickhäuters. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge bis 350 cm und einem Gewicht bis über zwei (manchmal auch fast drei) Tonnen sind es beeindruckend große Tiere.
Mit einem einzigen Biss ihrer gewaltigen Kiefer kann ein erwachsenes Tier einen Druck von mehreren Tonnen erzeugen und ein Kanu in zwei Hälften teilen.

Im südamerikanischen Kolumbien lebt die inzwischen größte Nilpferdherde außerhalb Afrikas: Aktuell leben dort um die 200 wilde „Nilpferde“ (richtiger als Flusspferde bezeichnet), vor allem im Río Magdalena, der Lebensader des Landes.

Ohne Gegenmaßnahmen könnte ihre Zahl schon bald beträchtlich ansteigen. Nach vorgenommenen Abschätzungen könnte es bald Tausende dieser Tiere in Kolumbien geben.

Wie aber kamen sie dorthin – von Afrika zum fast zehntausend Kilometer entfernten Südamerika?

Natürlich konnte dies nur mit menschlicher Hilfe von Statten gehen.

In den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts war der Kolumbianer Pablo Escobar einer der weltweit mächtigsten und brutalsten Drogenbarone. Er besaß eine 3.000 Hektar große Ranch bei Puerto Triunfo am Río Magdalena, einem Fluss im Westen des Landes mit 1.612 km Länge und einem Einzugsgebiet in etwa so groß wie das des Rheins.

Für seinen Privatzoo auf seiner Farm „Hacienda Napoles“ ließ Escobar Löwen, Tiger, Giraffen, Elefanten, Büffel, Nashörner, Gazellen, Zebras, Kamele und Strauße einfliegen. Auch vier afrikanische Flusspferde aus Namibia kamen so schon in den späten 1970er-Jahren nach Kolumbien.

Escobar starb, als ihn eine US-amerikanisch-kolumbianische Elite-Einheit 1993 bei einer Razzia in Medellín erschoss. Fast alle Tiere seiner Farm wurden damals verkauft. Nur die „Nilpferde“ blieben seit seinem Tod sich selbst überlassen. Sie haben sich seitdem wild ausgebreitet und fortgepflanzt – und wurden so eine große Herausforderung für die Menschen vor Ort.

Das tropische Klima und das Fehlen natürlicher Feinde begünstigte ihre Ansiedlung - Nahrung und Gewässer sind hier ausreichend vorhanden.

Längere Zeit wurden die Tiere nicht oder nur wenig beachtet. Etwa zur Jahrtausendwende begann das öffentliche Interesse aber zu wachsen.

Mittlerweile haben sich die tonnenschweren Tiere in dem südamerikanischen Land zu einer echten Plage entwickelt. Die Flusspferde bringen das Ökosystem durcheinander, können die Gewässer und den Boden verschmutzen, bedrohen die ursprüngliche Artenvielfalt, zerstören Felder und bringen die Anwohner in Gefahr, so gab es auch schon Autounfälle.

Dadurch, dass sie Gewässer nährstoffreicher machen können die Flusspferde Algenblüten begünstigen, die unter Umständen massenhaft Fische sterben lassen. Außerdem verdrängen und gefährden sie bedrohte heimische Arten wie Riesenotter (Pteronura brasiliensis) und die Seekuhart Karibik-Manati (Trichechus manatus). Fachleute plädieren deswegen für ein striktes Management und letztendlich für die Auslöschung der Population.

Viele Kolumbianer haben sich indes an die Tiere gewöhnt. Andere betrachten die Tiere sogar als Segen für den Tourismus in der Region – Veranstalter bieten gut nachgefragte Bootstouren zu den Aufenthaltsorten der Nilpferde an.

Dennoch bleibt das Risiko eines Angriffs bestehen. Auch wenn sie wie eine ruhige Spezies wirken, sind sie in Wirklichkeit unberechenbar. Nicht ohne Grund zählen Flusspferde zu den aggressivsten und gefährlichsten Tieren Afrikas. Jedes Jahr sollen dort etwa 100 Menschen durch Nilpferde und damit etwa doppelt so viel wie durch Löwen sterben. Mit ihrem Gewicht können sie Boote auch zum Kentern bringen.

Die kolumbianische Regierung will wegen all der genannten Gründe eine weitere Ausbreitung der Flusspferde verhindern.

Dazu wurden verschiedene Maßnahmen diskutiert.

1. Abschuss:

Die Tiere einfach zu erschießen, was von Forschern auch schon empfohlen wurde, kam für den Bundesstaat Antioquia und andere tierliebe Kolumbianer nicht in Frage.

Als im Jahr 2009 „Pepe“, ein streunendes Nilpferd, auf Anweisung des Umweltministeriums erschossen wurde und Soldaten mit dem erlegten Tier posierten, war die Empörung in Kolumbien groß.

Nachdem ein Abschuss aufgrund des Drucks von Tierschützern verboten worden war, gab es viel Streit um die Tötung dieser Tiere.

Trotzdem sollte ein Plan ausgearbeitet werden, wie die Tiere unter Berücksichtigung moralischer Aspekte eingeschläfert werden können.

2. Sterilisation:

Die Nilpferde sollten u.a. chirurgisch sterilisiert werden, um wenigstens die weitere Ausbreitung als invasive Art zu stoppen.

Die Sterilisation der Nilpferde ist jedoch riskant und sehr kostspielig.

Laut Umweltministerium ist es ein komplexes und kostspieliges Verfahren, bei dem zudem das Risiko besteht, dass die Tiere sterben (z.B. dass sie allergisch auf die Narkose reagieren) oder auch, dass das menschliche Team vor Ort gefährdet wird.

Die Sterilisation eines Nilpferds kostet durchschnittlich rund 9.000 Euro. Die Regierung wollte pro Jahr aber trotzdem bis 40 Tiere sterilisieren.

Aber tatsächlich konnten zwischen 2011 und 2013 aus Geldmangel nur vier Bullen kastriert werden.

3. Umsiedlungen:

Auch Umsiedlungen wurden erörtert und angedacht: Mit den Ländern Mexiko, Indien und den Philippinen wurden diesbezüglich Gespräche geführt. Indien hatte wohl schon angeboten, 60 Tiere aufzunehmen. Die Umsiedlungspläne wurden aber nur schleppend oder gar nicht umgesetzt.

Die Nilpferde einfach nach Afrika zu bringen, was auch vorgeschlagen wurde, würde unter Umständen aber mehr schaden als nützen. Dabei könnten auch ihre Erreger, ihre Bakterien und Viren und damit neue Krankheiten nach Afrika gebracht werden.

Anfang 2018 wurde dann begonnen, Zooplätze für die Tiere zu suchen.

Fazit: In der Vergangenheit hatte es bereits verschiedene Versuche gegeben, die Population unter Kontrolle zu bringen und ihr weiteres Anwachsen zu verhindern. Erreicht wurde aber faktisch nichts.

Keine Maßnahme war wirksam genug, um zu garantieren, dass der Bestand sich nicht weiter vergrößert.

Nachtrag vom 12.09.2024:

Das Verwaltungsgericht von Cundinamarca in Kolumbien hat die sogenannten „Kokain-Nilpferde“, die von dem einstigen Drogenboss Pablo Escobar in das Land gebracht worden waren und sich dort stark vermehrt haben, zum Abschuss freigegeben.

Das Gericht legte eine Dreimonatsfrist für das Umweltministerium fest, um Regeln für „Maßnahmen zur Beseitigung der Art“ zu erlassen.

Durch die Flusspferde werde das ökologische Gleichgewicht in der Region bedroht. Deshalb komme neben „Sterilisierung“ auch die „kontrollierte Jagd“, also ein geregelter Abschuss, infrage.


Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © Januar 2025.



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