
Text 03 - 07.12.2024: Nandus in Mecklenburg - die einzige Population in Europa!
Datum 07.12.2024 13:30:00 | Thema: Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten
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Wer in Mecklenburg am östlichen Ufer des Ratzeburger Sees rund um Utecht wandert, kann unterwegs auf exotische Riesenvögel treffen: Nandus (Rhea americana)!
Drei Männchen und vier Weibchen dieses ursprünglich aus den Weiten der argentinischen Pampa stammenden Laufvogels und mit einer Scheitelhöhe von 1,25 bis 1,40 Metern (Rückenhöhe etwa 1 Meter) und einem Gewicht von 20 bis 25 Kilogramm größten Vogel Amerikas entwichen im Herbst 2000 aus einer privaten Freilandhaltung in Groß Grönau (Schleswig-Holstein) unweit der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern.
Nach Querung des nahegelegenen Flüsschens Wakenitz hat sich dann in den nachfolgenden Jahren im angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern östlich des zum Naturpark Lauenburgische Seen gehörenden Ratzeburger Sees eine über die Jahre stabile Population aufgebaut - der Vogel wurde so faktisch in Deutschland heimisch.
Für Wanderer und Touristen ist eine Begegnung mit diesen in Argentinien vom Aussterben bedrohten und nun hier freilebenden Tieren eine interessante Attraktion - Bauern beklagen insbesondere Schäden auf Raps- aber auch auf Zuckerrüben- und Getreidefeldern.
Wenn man das Glück hat die mannsgroßen Riesenvögel zu finden und sie dann nur wenige Meter vor einem in freier Natur stehen und laufen, ist das schon ein sehr beeindruckendes Erlebnis, bei fast gleicher Größe „Auge in Auge“.
Bei einer Autotour am 18. April 2015 rund um Schaalsee und Ratzeburger See fanden wir die Objekte unserer Begierde letztlich unweit von Utecht, wo sie sich vor allem in einem recht unzugänglichen Ödlands- bzw. Stilllegungsgebiet aufhalten.
Die Nandus zu finden war allerdings gar nicht so leicht. Die erstan zwei großen Vögel, die ich in der Ferne sah, flogen bei Annäherung davon – es waren also keine Nandus, sondern Kraniche.
Besonders beliebt bei den Vögeln sind Raps-Blütenknospen, die abgebissen werden, wodurch sich natürlich der Ernteertrag auf betroffenen Feldern verringert. Auf einem Rapsfeld sah ich dann auch „meine“ ersten Nandus.
Ich lief ca. eine halbe Stunde fleißig fotografierend und filmend etwa drei Meter neben einer 20-köpfigen Herde her, die über über ein großes Rapsfeld zog und und eine breite Spur von wie mit dem Rasiermesser abgeschnittenen Rapsblütenstielen hinter sich ließ. Der Leithahn beobachtete aus etwa 50 bis 100 Meter Entfernung aufmerksam die ganze Zeit das Geschehen. Da ich mich ruhig verhielt und ruckartige Bewegungen vermied, sah er keinen Anlass zu Warnrufen. Die Tiere zeigten überhaupt kein Fluchtverhalten, lediglich wenn ich versuchte mich langsam mehr als drei Meter anzunähern, wichen sie genau so langsam aus und hielen so die Distanz stabil, dabei immer weiterlaufend und blütenabbeißend.
In den nachfolgenden Jahren hat sich dann in Mecklenburg - Vorpommern eine über die Jahre stabile Population aufgebaut - der Vogel wurde so faktisch in Deutschland heimisch.
Bei weiteren einer Autotour mit Freunden 2016 nur im Bereich Utecht/Thandorf/Schlagsdorf sahen wir über 50 Tiere, den Großteil davon schon vom Auto aus.
Die wilde Nandu-Population im Grenzgebiet von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein - die einzige in Europa - hat sich dann bis 2017 recht kontinuierlich weiter vergrößert.
Der Bestand an Nandus im Biosphärenreservat Schaalsee-Elbe (Mecklenburg-Vorpommern) erhöhte sich trotz der Klagen von Bauern, die zum Teil erhebliche Ertragseinbußen hinnehmen mussten, kontinuierlich und betrug im Herbst 2017 244 Tiere.
In der Herbstzählung 2018 waren dann sogar 566 Tiere gezählt worden, 294 davon Jungvögel aus diesem Jahr, teilte das Landwirtschaftsministerium mit.
Die Nandus sorgen für große Schäden an landwirtschaftlichen Flächen (Raps- und Getreidefelder), die auch immer lautstärker von betroffenen Landwirten beklagt werden. Wer einmal gesehen hat, wie eine Herde Nandus über ein Rapsfeld zieht und einen faktisch blütenfreien Streifen von wie mit der Rasierklinge geköpften Rapspflanzen hinter sich lässt, kann das Klagen der Bauern nachvollziehen.
Wie das Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern mitteilte, wurde seitens der Landesregierung versucht, dem starken Wachstum der Population im Biosphärenreservat durch schlupfverhindernde Manipulation der Eier Einhalt zu gebieten.
Nach Angaben des Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern gefundenen Eier manipuliert, indem man diese anbohrte oder mit Paraffin überzog.
Es bleibt offen, ob viele Gelege erst gar nicht gefunden wurden oder ob die schlupfverhindernde Manipulation der Eier doch nicht wie gewünscht den Schlupf überlebensfähiger Küken verhinderte.
"Die aktuelle Entwicklung ist für mich Anlass prüfen zu lassen, ob weitere Möglichkeiten bestehen, mit denen wir dem Populationsanstieg entgegenwirken können", erklärte der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Dr. Till Backhaus (SPD). Dabei solle auch geprüft werden, ob die Vögel ins Jagdrecht aufgenommen werden könnten, da dies von Landwirten gefordert wurde, erklärte eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums.
Es war längst überfällig, dass der mit über 20 Jahren Regierungszugehörigkeit aktuell dienstälteste Landesminister in Deutschland, der das unbegrenzte Anwachsen des Nandu-Bestandes von Beginn an durch "aktives Nichtstun" erst ermöglicht hat, nach Jahren des geschützten Bestandswachstums nun endlich die Sorgen betroffener Bauern ernst nahm.
Seit der Freigabe zur Jagd (zum Abschuss) im Jahr 2020 ist der Nandu-Bestand im Norden drastisch gesunken. Bei einer kurzen Tour im Frühjahr 2020 sah ich dann keinen einzigen freilaufenden Nandu mehr in Straßennähe, die Zahl der Tiere hatte offensichtlich abgenommen, auch waren sie wesentlich scheuer geworden.
Im Oktober 2022 wurden nur noch 144 Nandus im Biosphärenreservart Schaalsee gezählt.
Nachtrag: Nach der Auswertung der Frühjahrszählung von 2024 meldete das Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern dann sogar nur noch 70 Exemplare der imposanten flugunfähigen Großvögel (nach 566 im Jahr 2018).
Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © September 2024.
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