
Text 07 - 11.12.2024: Zierfische erobern die Welt - Guppy-Bäche in Deutschland!
Datum 11.12.2024 12:40:00 | Thema: Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten
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Die Verbreitung von auch als Zier- bzw. Teichfisch gehaltenen Fischen betrifft
1. Fische zur Krankheitsbekämpfung:
Gambusen (eine Gattung der Lebendgebärenden Zahnkarpfen) zur Moskito- und damit Malaria-Bekämpfung: Der nachträgliche Besatz der Sümpfe in Panama mit dem Moskitokärpfling (auch Östlicher Moskitofisch, Gambusia holbrooki) - zumeist einfarbig grau und bis bis 8 Zentimeter lang – ermöglichte erst die Fertigstellung des Panama-Kanals.
In den 1920er Jahren wurden die Fische auch in Südeuropa eingeführt, um Malaria übertragende Stechmücken (Moskitos) zu bekämpfen.
Inzwischen ist die Art in Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien, Ungarn, und Zypern etabliert Der Koboldkärpfling (auch Westlicher Moskitofisch, Gambusia affinis) - grau bis braun und bis 7 Zentimeter lang – ist heute nahezu weltweit verbreitet. Auch in vielen Ländern Europas wie beispielsweise Italien und Ungarn ist er etabliert. Durch die enorme Anpassungs- und Reproduktionsfähigkeit gehört die Art weltweit zu den 100 invasivsten Tierarten.
2. Teichfische:
Goldfisch(Carassius auratus), auch der Shubunkin als Goldfisch-Zuchtform
Der Goldfisch,Gesamtlänge bis 35 Zentimeter, ist ein weltweit verbreitetes Neozoon, das mit der ursprünglichen Fischfauna erfolgreich konkurriert. Goldfische leben mittlerweile mit Ausnahme der Antarktis auf allen Kontinenten und auf Inseln und haben sich auch in Brackwasserbereiche ausgebreitet.
3. Verbreitung durch Aquarianer:
Berichte zu mittlerweile freilebenden aus Aquarienhaltung stammenden Zierfischen in den USA betreffen unter anderem die Arten
- Roter Cichlide (Rubricatochromis guttatus, vormals Hemichromis), eine bis 12 Zentimeter lange prächtige Buntbarsch-Art aus dem westlichen Afrika von Sierra Leone bis Kamerun vorkommt, - Leopardenbuntbarsch (Parachromis dovii) – bis 70 Zentimeter Länge erreichend und aus Mittelamerika (Honduras, Nicaragua,Costa Rica) stammend, - Peacock-Barsche wie Cichla monoculus, bis 80 Zentimeter Länge, seit 1984 in Florida vorkommend, - Pacu (Colossoma macropomum) – mit einer maximalen Länge von 1,08 Metern und einem maximalen Gewicht von 30 Kilogramm einer der größten Salmler vom Amazonas, aufgrund seiner großen Anpassungsfähigkeit konnten ausgesetzte Exemplare in einigen Gewässern Hawaiis, Floridas und Texas kleine lokale Populationen bilden (einzelne Exemplare dieses Salmlers wurden auch schon in Kroatien, Österreich, Frankreich, Polen und Skandinavien gefunden).
China: Auch aus China gibt es Berichte zu mittlerweile freilebenden aus Aquarienhaltung stammenden Zierfischen, so unter anderem zu Guppys (Poecilia reticulata) Platies (Xiphophorus maculatus) Koboldkärpfling (Gambusia affinis)
Freilebende aus Aquarienhaltung stammende Zierfische in Europa:
1. Vorkommen in Warmwasser vulkanischen Ursprungs
Die Periadriatische Linie (Naht) ist mit einer Gesamtlänge von 700 km die bedeutendste tektonische Störungslinie der Alpen. Ihr Name rührt daher, dass sie in einem weit ausholenden Bogen ungefähr parallel zur Küstenlinie des Adriatischen Meeres verläuft.
Annähernd M-förmig erstreckt sie sich südlich des Alpenhauptkamms zwischen Turin im Westen und Slowenien bzw. Südungarn im Osten und trennt das Südalpin vom nördlichen Alpenbogen.
Bekannt ist das Vorkommen folgender Arten im warmen Wasser des Thermalsee-Abflusses in HévÃz (Ungarn):
Goldcichlide (Neolamprologus leleupi, Syn.: Lamprologus leleupi) aus dem in Afrika gelegenen Tanganjikasee (Demokratische Republik Kongo, Tansania, Sambia und Burundi), Jaguarcichlide (Parachromis managuensis), in Mittel-Amerika (Honduras, Nicaragua, Costa Rica) endemisch, beobachtet.
Regenbogencichlide (Herotilapia multispinosa, Syn.: Archocentrus multispinosus) ist eine kleine Buntbarschart, die in Mittelamerika(Honduras, Costa Rica, Nicaragua) ihr Heimat hat,
Roter Juwelenbuntbarsch (Hemichromis guttatus) aus dem westlichen Afrika (Sierra Leone bis Kamerun)
Auch ein zentralafrikanischer Malawisee-Buntbarsch, wohl (Pseudotropheus aurora), wurde hier schon gesichtet.
Weitere hier verbreitete Tierarten aus wärmeren Gefilden sind
- Rotwangen-Schmuckschildkröten (Trachemys scripta elegans) - Indische oder Malaiische Turmdeckelschnecken (Melanoides tuberculata)
Eine häufige Fischart im Bach ist der Spitzmaulkärpfling (Poecilia sphenops), die Stammform des bei Aquarianern beliebten Black Mollys.
Diese neuen, exotischen Tierarten konnten nur mit menschlicher Hilfe in den Wasserlauf gelangen. Der Koboldkärpfling (Gambusia affinis) wurde gegen die Malariamücke eingesetzt. Die tropischen Arten waren ursprünglich wahrscheinlich Aquarienfische, die die Halter hier loswerden wollten.
Eine Weiterverbreitung ist für die meisten dieser gebietsfremden Arten trotz Verbindung zu anderen Gewässern ausgeschlossen, sofern es sich bei diesen Fischen um Warmwasserarten handelt, die in der gemäßigten Klimazone bei niedrigen Wassertemperaturen nicht lebensfähig sind.
Eine Ausnahme sind die hier gefundenen Gambusen, d.h. Koboldkärpfling (Gambusia affinis) und Moskitofisch (Gambusia holbrooki). Diese auf der EU-Liste invasiver Tierarten stehenden Fische vertragen auch auch niedrige Temperaturen und können deshalb auch außerhalb von Warmwasserzonen überleben.
Villach (Österreich):
Der Warmbach bei Villach ist der Überlauf bzw. Abfluss der dortigen Thermalanlage im Warmbad Villach. Die Wassertemperatur liegt ständig um die 24 Grad - ein Paradies für tropische und subtropische Fische, die dort trotz Verbot von Aquarianern illegal entsorgt werden.
Insgesamt leben im Warmbach um die 50 verschiedene Fischarten, darunter mehr als zehn Buntbarscharten, (dem aktuellen Trend in der Aquaristik entsprechend und hier entsorgt):
Juwelenbuntbarsch (Hemichromis letourneauxi, SAUVAGE 1880 bzw. Hemichromis guttatus, GÃœNTHER 1862),
Zebrabuntbarsch (Cryptoheros nigrofasciatus bzw. früher Archocentrus nigrofasciatus, GÜNTHER 1887),
Antennenwels (Ancistrus dolichopterus),
Malawiseebuntbarsch (Pseudotropheus aurora),
Fahnen-Kirschflecksalmer (Hyphessobrycon eryhtostigmata) aus Peru,
Guppies (Poecilia reticulata) - aber nur vereinzelt sowie
Platies (Platypoecilus maculatus) und Schwertträger (Xiphophorus helleri) auch nur sporadisch.
Die hier früher vorkommende Tiberbarbe oder Südbarbe (Barbus plebejus) scheint wieder verschwunden zu sein.
Auch ein Roter amerikanische Sumpfkrebs (Procambarus clarkii) wurde hier schon gefunden.
Die Seitenbereiche des Warmbaches beherbergen auch noch andere Tiere wie ausgesetzte Zier- und Schmuckschildkröten.
b) Vorkommen in warmen Abflüssen von Kraftwerken:
Am Bekanntesten ist wohl der Gillbach in Nordrhein-Westfalen - ein nicht nur bei Aquarianern als „Guppybach“ sehr bekannter 28,5 Kilometer langer Zufluss der Erft. Er befindet sich in Auenheim bei Bergheim an den nördlichen Ausläufern des Villerückens. Dort wird er vom warmen Kühlwasser des Braunkohlekraftwerks Niederaußem gespeist. Da sein Wasser hierdurch selbst im Winter subtropische bis tropische Temperaturen um die 20°C aufweist, bietet er gute Lebensbedingungen für Fisch- und Pflanzenarten aus (sub)tropischen Gefilden. In dem künstlich erwärmten Gewässer überstehen viele ausgesetzte, nichtheimische Arten unsere kalten Winter und können sich fortpflanzen.
Aufgrund der erhöhten Temperaturen im Gillbach haben sich dort im Laufe der vergangenen Jahrzehnte einige eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten (Neobiota) angesiedelt, die vermutlich in erster Linie von verantwortungslosen Hobby-Aquarianern dort hingebracht wurden.
Zu den nachgewiesenen bzw. gesichteten Arten gehören Mollies (Black-, Dalmatiner- und Goldmollies, Poecilia sphenops), Guppies(Poecilia reticulata), Zebrabuntbarsch/ Grünflossenbuntbarsch (Amatitlania nigrofasciata) Juwelbuntbarsche, roter Buntbarsch (Hemichromis guttatus), Malawi-Cichliden wie Eisblauer Maulbrüter (Pseudotropheus socolofi), stahlblauer Maulbrüter (Pseudotropheus cyaneorhabados), blauer Johanni (Melanchromis maingano) und der Kaiserbuntbarsch (Aulonocara nyassae), blauer Antennenwels(Ancistrus dolichopterus) – vereinzelt auch Salmler (z.B. Neons), amerikanische Flusskrebse, Süßwassergarnelen der Gattung Neocaridina sowie tropische Wasserpflanzen wie zum Beispiel Vallisneria und Nixkraut. Auch eine Population vom Marienbuntbarsch (Pelmatolapia mariae, vormals Tilapia mariae) sowie Hybriden von afrikanischen Buntbarschen wie Oreochromis mossambicus und Oreochromis niloticus wurden hier auch schon gesehen.
Die Marienbuntbarsche gelten als die erste in Europa nachgewiesene freilebende Population dieser Tiere.
Kritisch: Wissenschaftler der Universität Frankfurt berichteten zudem im September 2015, dass eingeschleppte Parasiten der Art Camallanus cotti (ein Fräskopfwurm genannter Fadenwurm, der meist den Darmtrakt von Fischen befällt) sowohl die nichtheimischen Zebrabuntbarsche als auch heimische Döbel und Gründlinge befallen können.
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und zwei weiterer Leibniz-Institute erforschen im Gillbach, wie sich die Kühlwassereinleitung des nahen Kohlekraftwerks und ausgesetzte Aquarienfische auf das Ökosystem des Bachs auswirken.
Es ist aber nicht zu befürchten, dass sich die Buntbarsche vom Gillbach aus weiter verbreiten können. Der Gillbach mündet in die Erft und diese wiederum in den Rhein. In diesen kühleren Flüssen können diese Fische nicht überleben. Das größere Problem seien Krankheiten und Parasiten, die von den gebietsfremden Tieren auf heimische übertragen werden könnten. Über 50 Prozent der Marienbuntbarsche sind in ihrer Heimat mit Krankheiten und Parasiten infiziert.
Jedenfalls sollten künstliche Warmwassergebiete wie der Gillbach regelmäßig auf eingewanderte Arten und Krankheitserreger kontrolliert werden, empfehlen die Wissenschaftler.
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Sogenannte „Kaltwasserfische“ haben in den letzten Jahren auch wegen steigender Energiepreise an Beliebtheit gewonnen.
Zu meinem Erstaunen erfuhr ich vor einigen Jahren, dass winterharte Zierfische in Deutschland auch im Freiland überwintern können – so Kaltwasserfische und Subtropler in der Zierfisch- oder Teichfischhaltung.
Diesen Arten widmet Sich der Arbeitskreis Kaltwasserfische und Fische der Subtropen (AKFS)im Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde (VDA). Dazu zählen:
Karpfenfische: Goldfisch(Carassius auratus) und die Goldfisch-Zuchtform Shubunkin als Goldfisch-Zuchtform wurden vorstehend schon angesprochen.
Labyrinthfische:
Rundschwanzmakropode(Macropodus ocellatus, Synonym M. chinensis)
Hechtartige:
Kleiner Hundsfisch (Umbra pygmaea) Ursprünglich im östlichen Nordamerika Lokal ist er in West- und Zentraleuropa Z.B. Zentralfrankreich, Norddeutschland (in Hamburg erstmalig 1985), Hessen – verdrängt den kleineren Europäischen Hundsfisch (Umbra krameri)
Eierlegende Zahnkarpfen (Killifische):
Japanischer Reiskärpfling /Medaka(Oryzias latipes) Aphanius- bzw. Apricaphanius-Arten Fundulus-Arten
Lebendgebärende Zahnkarpfen Koboldkärpfling, auch Westlicher Moskitofisch (Gambusia affinis) Östlicher Moskitofisch (Gambusia holbrooki)
Cichliden:
Der Chanchito oder Chamaeleonbuntbarsch (Australoheros facetus), ein bis 18 Zentimeter großer Buntbarsch aus dem subtropischen Südamerika. Aus verschiedenen Gründen ist der Chanchito mindestens seit Anfang der 1930er Jahre als Neozoon sehr weit auf der Welt verbreitet. In Chile, den USA, auf den Philippinen, in Thailand und Singapur geht diese Faunenverfälschung auf die Sportfischerei zurück. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Vorkommen in Portugal (Rio Mira) bekannt. Neuere Untersuchungen belegen seine Verbreitung in Spanien(Rio Guadiana)und, von Aquarianern ausgesetzt, auch in einigen Seen Deutschlands(Nachweise gibt es in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen).
Südlicher Erdfresser (Gymnogeophagus meridionalis) bis 11 Zentimeter, Südamerika (Brasilien über Uruguay bis Argentinien).
Zwergschwarzbarsche:
(Elassoma-Arten) – nur bedingt winterhart.
Salmler:
Quakender Tetra (Mimagoniates inequalis)
Südlicher Salmler (Hyphessobrycon meridionalis) bis 5 Zentimeter, in Argentinien lebend
Kirschflecksamler (Hyphessobrycon erythrostigma)
Barben und Bärblinge:
Kardinalfisch (Tanichthys albonubes)aus dem Süden Chinas, bis 35 Millimeter lang; wegen seiner geringeren Temperaturansprüche zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auch als „Neon für Arme“ bekannt
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Grundsätzlich bleibt festzustellen: Alle Aquarientiere und -pflanzen und auch alle anderen nichtheimischen Tiere und Pflanzen dürfen nicht in die heimische Natur ausgebracht werden. Bei einen Verstoß gegen § 40 des Bundesnaturschutzgesetzes(BNatSchG) drohen bis zu 50.000 Euro Strafe!
Neben Gefahren durch die invasiven Arten selbst besteht auch immer das Risiko, gebietsfremde Krankheitskeime zu verteilen, gegen die heimische Arten komplett ungeschützt sind - so geschehen und ihn fast ausrottend beim Edelkrebs (auch Europäischer Flusskrebs genannt, Astacus astacus).
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4. Verbreitung ohne Mitwirken von Aquarianern:
Viele Bärblinge sind beliebte Aquarienfische, so u.a. Zebra-, Perlhuhn- und Zwergbärbling.
Der als Aquarienfisch nur selten gehaltene Blauband- oder Amurbärbling (Pseudorasbora parva) mit bis 95 Millimeter Gesamtlänge und einer grünlich-grauen Grundfärbung ist sehr robust und kann sowohl hohe Temperaturen als auch geringe Sauerstoffgehalte in Gewässern gut tolerieren. Dadurch kommt er in vielen Süßwasserlebensräumen vor.
Er stammt ursprünglich aus Asien und wurde von dort (aus dem unteren Jangtsekiang) wahrscheinlich unbeabsichtigt zusammen mit Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) und anderen Arten in den 1960er Jahren nach Rumänien eingeführt. Anfangs verbreitete er sich überwiegend im Einzugsbereich der Donau stromaufwärts. 1970 gab es erste Nachweise aus Ungarn, 1982 wurden Blaubandbärblinge erstmals in Österreich gefunden. Der erste Nachweis für Deutschland war in der Weißen Elster bei Wünschendorf im September 1984. Einige Jahre später gab es Nachweise in Niedersachsen und im Rhein.
Das enorme Ausbreitungspotential der Art hat verschiedene Ursachen: - eine gute Anpassungsfähigkeit, - die schnelle Reproduktion (bis zu drei Generationen in einem Sommer), - ein günstiger Körperbau auch für Fließgewässern, - der klebrige und damit leicht auch durch Vögel verschleppbare Laich, - ihre geringe Größe und das unauffällige Aussehen – so werden sie oft übersehen und dann auch ungewollt mit anderen Fischarten zum Besatz von Gewässern gebracht.
Sie sind Nahrungskonkurrent für viele Arten und fressen anderen Fischen eiweißreiches Futter (tierisches Plankton wie Wasserflöhe) weg.
Blaubandbärblinge sollen sich vor allem im Winter auch parasitisch am Muskelfleisch von Karpfen und Schleien ernähren und so Verletzungen und wirtschaftliche Schäden verursachen.
Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © Oktober 2024.
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