Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten: Text 01 - 05.12.2024: Die Invasion im Tierreich - gebietsfremde Tierarten / Neu in Deutschland: Der Schakal!

Eingetragen von: HarHilAAn 05.12.2024 09:30:00 82 Lesen

Nun ist es also doch schon geschehen: Deutschland hat ein neues Raubtier, den Schakal!

Ende der neunziger Jahre war der erste Goldschakal (Canis aureus) in Deutschland gesichtet worden.

Der Goldschakal ist zwischen 80 und 95 Zentimeter lang (Schwanzlänge 20 bis 30 Zentimeter) und die Schulterhöhe beträgt etwa 35 bis 50 Zentimeter. Er ist damit größer als ein Fuchs, aber kleiner als ein Wolf.

Unauffällig erweiterte der Goldschakal in den letzten Jahrzehnten sein Verbreitungsgebiet nach Norden (bis nach Finnland).

Zunächst waren es nur vereinzelte Sichtungen in Deutschland, zum ersten Mal wohl 1996/97 in Brandenburg. Bis 2020 gab es dann bereits Nachweise aus nahezu allen Bundesländern. Wahrscheinlich handelte es sich um Streuner aus dem südöstlichen Europa (Ukraine, Balkan). Inzwischen gibt es aber auch bestätigte Würfe in mehreren Bundesländern.

Wie viele Goldschakale leben nun aber mittlerweile in Deutschland?

Die nachtaktiven Tiere leben versteckt und sind nur schwer zu beobachten. Durch Fortpflanzung und immer wieder auch neue Einwanderung wächst der Bestand aber kontinuierlich an!

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Goldschakals erstreckt sich von Nordafrika und Südosteuropa bis nach Ostasien. Mittlerweile soll es allein rund 100.000 Tiere in neunzehn Ländern Europas geben.

Der Klimawandel mit schneearmen Wintern und heißen Sommern begünstigt die Ausbreitung des Goldschakals, ihm bieten Halbwüsten, Steppen, Wälder, Ödlandflächen, Agrarlandschaften und Feuchtgebiete willkommene Lebensräume.

Wenig wählerisch ist der Goldschakal auch bei seiner Nahrung. Neben kleinen Säugetieren wie etwa Mäusen und Kaninchen frisst der Allesfresser auch Insekten, Vögel, Amphibien, Fische und Aas. Auch vegetarische Kost wie Beeren oder Mais ist dem Goldschakal recht. Aber auch landwirtschaftliche Nutztiere (Geflügel, Schafe, Ziegen, Schweine, kleine Rinder und Pferde) können ihm als Beute dienen.

Wenn der Goldschakal sein Fressen nicht vollständig verzehren kann, versteckt er es unter Büschen oder vergräbt es auch als Reserve.

Für Menschen ist der scheue Goldschakal nicht gefährlicher als ein Fuchs.

Es ist davon auszugehen, dass sich dieser neue Räuber auch in Deutschland etabliert und dadurch das heimische Ökosystem verändert. Wie beim Wolf ist deshalb nun auch ein Monitoring und Management des Schakals dringend notwendig!

Da der Goldschakal sich aber ohne Zutun des Menschen ausbreitet, gilt er nicht als invasive Tierart.

Die Vielfalt der Tierwelt ist schier unendlich.

Die Evolution brachte Tiere von der Ameise bis zum Elefanten hervor. Bärtierchen beispielsweise haben es so im Laufe der Evolution geschafft, sich perfekt an unterschiedlichste und schnell wechselnde Umweltbedingungen anzupassen. Sie haben die Fähigkeit, bei extremer Hitze auszutrocknen, bei Kälte wiederum gefrieren sie – sie fallen in einen Zustand, in dem sie überdauern und nicht sterben (Kryptobiose).

Die Tier- und Pflanzenwelt ändert sich aber permanent.

Unklar ist oft, aufgrund welcher konkreten Selektionskräfte Tiere und Pflanzen ihre ökologische Nische finden.

Immer öfter wird in den letzten Jahren über für Deutschland neue bzw. auch über rückkehrende zwischenzeitlich ausgestorbene Tierarten berichtet.

Im 19ten und frühen 20sten Jahrhundert war es üblich und gesellschaftlich durchaus akzeptiert, Ansiedlungsversuche mit fremdländischen Tier- und Pflanzenarten zu unternehmen, um die vorhandene Natur „zu bereichern“ oder auch zusätzliche Beutetiere für Jagd und Fischerei oder für Profi- und Hobbygärtner Bäume, Sträucher, Blütenpflanzen und Gräser wegen ihres interessanten Aussehens, ihres Holzes, ihrer Blüten oder Früchte zu erhalten.

Schnell wie nie zuvor breiten sich fremde Arten (Neobiota) – darunter viele vom Menschen achtlos eingeschleppte oder bewusst ausgesetzte Tier- und Pflanzenarten - aus, auch in Deutschland. Weltweit sorgen sie für Schäden durch Verluste in der Land- und Forstwirtschaft, an der Infrastruktur oder durch die Belastung der Gesundheitssysteme in mindestens dreifacher Milliardenhöhe, bedrohen die Natur, die Landwirtschaft und gefährden die Gesundheit.

Im Gegensatz zu den einheimischen (indigenen), d.h. von Natur aus bei uns vorkommenden Tier- und Pflanzenarten, kamen gebietsfremde Arten oft durch den Einfluss des Menschen zu uns - sowohl beabsichtigt (z.B. durch Einfuhr von Nutzpflanzen) wie auch unbeabsichtigt (z.B. bei der Einschleppung durch Ballastwasser von Schiffen).

Seit dem Beginn des Ackerbaus in der Jungsteinzeit (Neolithikum) haben Einbringung und Etablierung gebietsfremder Arten in Mitteleuropa in unterschiedlich starkem Umfang stattgefunden. Dabei spielen die Zunahme von Handel und Verkehr eine so wichtige Rolle, dass die Entdeckung Amerikas 1492 zur Abgrenzung dient: Arten, die vorher – z. B. der Nacktweizen im Neolithikum aus dem westmediterranen Raum, diverse Pflanzen- und Tierarten durch die Römer in der Antike oder auch die Sandklaffmuschel durch die Schiffe der Wikinger – eingebracht wurden, werden als Archäobiota, nach 1492 eingeführte Arten dagegen als Neobiota (Tiere als Neozoen und Pflanzen als Neophyten) bezeichnet.

Die meisten gebietsfremden Arten stellen kein Naturschutzproblem dar. Nur wenige gebietsfremde Arten gefährden in ihrem neuen Verbreitungsgebiet die biologische Vielfalt und werden daher als „invasiv“ bezeichnet. Invasive Arten sind in Mitteleuropa weit weniger an der Gefährdung der Artenvielfalt beteiligt als beispielsweise auf lange Zeit isolierten Inseln, die erst in den letzten Jahrhunderten mit gebietsfremden Arten in Kontakt kamen (wie beispielsweise Australien und Neuseeland).

Das Bundesamt für Naturschutz geht davon aus, dass sich in Deutschland bereits rund 1.200 invasive Tier- und Pflanzenarten etabliert haben (wahrscheinlich sind es weitaus mehr, aber der Nachweis fehlt bisher). Das heißt, dass sie sich hier fortpflanzen und langfristig in ihrem neuen Lebensraum überleben können.

Angesichts der prognostizierten Klimaerwärmung ist aber zukünftig (wie auch schon in den letzten Jahren festzustellen war) mit einer verstärkten Ausbreitung gebietsfremder Arten und damit auch einem erhöhten Risiko durch invasive Arten zu rechnen. Invasive Arten können z. B. in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen zu einheimischen Arten treten und diese verdrängen, Krankheiten übertragen oder durch Kreuzung mit einheimischen Arten den Genpool verändern.

Neben Naturschutzproblemen können gebietsfremde Arten aber auch ökonomische (z. B. Schädlinge, Managementkosten) oder gesundheitliche Probleme verursachen (Übertragung von Krankheiten, Auftreten von Allergien).

Invasive Arten können somit für bestehende und funktionierende Ökosysteme eine erhebliche Bedrohung sein. Sie sollen laut IPBES (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) für etwa 60 Prozent der weltweiten Verluste von Tier- und Pflanzenarten zumindest mitverantwortlich sein.

Die Globalisierung (u.a weltweit gewachsener Waren- und Reiseverkehr) brachte viele Annehmlichkeiten, aber auch ernste Gefahren: eine Vielzahl von Pilzen, Pflanzen und Tieren ist ebenfalls unterwegs. Einige gelangen absichtlich zu uns, zum Beispiel durch die Einfuhr von Zier- und Nutzpflanzen, durch den Einsatz zur Schädlingsbekämpfung oder als Jagdwild. Andere sind als „blinde Passagiere“ unterwegs: Pflanzensamen mit Handelsgütern oder Larvenstadien und auch Größeres im Ballastwasser von Schiffen. In einigen Fällen konnten sich die Neuankömmlinge etablieren, massenhaft vermehren und hier natürlich vorkommende Ökosysteme, Biotope oder Arten schädigen, zum Beispiel durch Verdrängung natürlich vorkommender Arten oder Veränderung der Vegetationsstruktur. In diesem Fall spricht man von invasiven Arten.
Neobiota können die Artenvielfalt bereichern oder bedrohen.
Ob bzw. warum manche dieser Neobiota zur Plage oder sogar Bedrohung werden und andere wiederum nicht, kann niemand sichervoraussagen.

Invasive und gebietsfremde Organismen stellen weltweit eine der Hauptbedrohungen für die Artenvielfalt (Biodiversität), natürliche Lebensräume und Ökosysteme dar. Daneben können gebietsfremde Arten auch den Menschen direkt betreffen. Neu auftretende Schädlinge und Unkräuter verursachen Schäden in der Land- und Forstwirtschaft, bisher unbekannte Insekten und Gliederfüßer verbreiten gefährliche Krankheiten, auch Allergien wie z.B. gegen neu auftretende Blütenpflanzen (wie etwa Ambrosia) sind möglich. Gegen diese Auswirkungen werden Maßnahmen vor allem im Bereich der Pflanzengesundheitssysteme, der Tierhygiene und des Polizei- und Ordnungsrechts getroffen.

Um negative Auswirkungen auf die einheimische Tier- und Pflanzenwelt durch invasive gebietsfremde Arten zu verhindern oder zu minimieren, existieren zahlreiche rechtliche Regelungen auf globaler, europäischer und nationaler Ebene. Das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) schreibt im Artikel 8 (h) Vorsorge, Kontrolle und Bekämpfung invasiver Arten als Ziel und als Aufgabe der Vertragsparteien fest. Auch etwa im Rahmen der Berner Konvention werden Maßnahmen gegen invasive Arten erarbeitet.

Der globale Schiffsverkehr gilt als eine der wichtigsten Ursachen dafür, dass Tiere weltweit verschleppt und in für sie neue Ökosysteme eindringen. Auch die Antarktis ist dadurch mittlerweile stark gefährdet.
Kaninchen, Ziegen und Schweine, Hauskatzen, Igel, Rotwild, Wiesel, Hermeline und Frettchen sind z.B. in Deutschland heimische Tierarten, gelten aber in Neuseeland als gefährliche und die dort heimische einzigartige Tierwelt bedrohende Invasoren. Ausgefeilte Sperrmechanismen sollen die heimische Tierwelt in Reservaten vor ihnen schützen, z.B. haben in Nordamerika aufwändige Sperrwerke die Aufgabe, die Ausbreitung eingeschleppter asiatischer Karpfen zu verhindern.

In Deutschland breitet sich die Asiatische Tigermücke aus. Weil sie Krankheiten wie Dengue-, Chikungunya- und Gelbfieber oder das Zika-Virus übertragen kann, gilt sie als eines der gefährlichsten Tiere der Welt. Dass sie noch aufzuhalten ist, ist äußerst unwahrscheinlich.

Auch Zoonosen (Infektionskrankheiten, die von Bakterien, Parasiten, Pilzen, Prionen oder Viren verursacht und wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können) sind eine existente Bedrohung für die öffentliche Gesundheit.

Auf »Rat Island« zwischen Alaska und Sibirien lebten Millionen Ratten und sonst nicht mehr viel – bis der „US Fish and Wildlife Service“ im Jahr 2007 zum Gegenangriff mit giftigen Ködern überging. Auf diese Weise konnten seitdem mehr als 580 Inseln von der Rattenplage befreit und mehrere hundert Spezies vor der Ausrottung bewahrt werden. Bei TierschützerInnen stoßen solche Methoden immer wieder auf erheblichen Widerstand.

Die Weltgemeinschaft muss zusammenarbeiten, um das Problem der invasiven Arten zu lösen. Daher wurden zahlreiche internationale Verträge geschlossen. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (Erdgipfel) 1992 in Rio de Janeiro beschlossen die Vereinten Nationen angesichts des weltweit alarmierenden Rückgangs der Arten das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Es verpflichtet die internationale Staatengemeinschaft zur Vorsorge, Kontrolle und Bekämpfung invasiver Arten. In der Berner Konvention von 1979 ist die Europäische Strategie festgelegt. Allen Verträgen zum Trotz konnten die invasiven Arten bisher jedoch nicht an einer weiteren Ausbreitung gehindert werden.

Die Europäische Union regelt seit 2015 den Umgang mit invasiven Arten in der EU-Verordnung 1143/2014, die für alle EU-Mitgliedsstaaten rechtsverbindlich ist.Dazu gibt es die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1141 der Kommission vom 13. Juli 2016 zur Annahme einer Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung. Diese enthielt 2016 37 (2017 39, 2019 56 und 2022 dann 88) Tier- und Pflanzenarten, die aus anderen Kontinenten absichtlich oder unabsichtlich in das damalige Gebiet der EU eingeführt wurden und sich mit erheblich nachteiligen Auswirkungen für die Umwelt in der freien Natur verbreitet haben (Schwarze Liste). Es können aber auch Arten in die Liste aufgenommen werden, die bisher noch nicht in den Ländern der EU vorkommen oder sich in einer frühen Phase der Ansiedlung befinden und höchstwahrscheinlich durch ihre Ausbreitung stark negative Folgen haben würden. Diese Arten gelten deshalb als Bedrohung für die Erhaltung der europäischen Ökosysteme und für die Artenvielfalt.

Die Liste wird fortlaufend erweitert. Für diese Arten gilt ein Verbot von Einfuhr, Haltung, Zucht, Transport, Erwerb, Verwendung, Tausch und Freisetzung.

Beim Umgang mit invasiven Tierarten gibt es oft Zielkonflikte. Von einem Zielkonflikt (auch Dilemma genannt) spricht man, wenn eine Person oder Organisation zeitgleich mehrere, sich teils widersprechende, Ziele erreichen möchte oder muss. Dies betrifft insbesondere Konflikte zwischen Wirtschaft, Tierschutz, Umweltschutz und Gesundheitsschutz.

Online-Meldeportale für invasive Tierarten sollen vor allem regional helfen, einen Überblick über deren Ausbreitung zu erhalten.

Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © Juli 2024.