Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten: Text 13 - 29.12.2024: Amerikanische Grauhörnchen verdrängen Europäische Eichhörnchen!
Eingetragen von: HarHilAAn 29.12.2024 17:20:00 17 LesenDie Hörnchen (Sciuridae) sind eine Familie aus der Ordnung der Nagetiere (Rodentia).
Die Tiere sind - anders als die meisten Nagetiere - zum größten Teil tagaktiv und ernähren sich vor allem von Pflanzenteilen, Früchten und Samen sowie von Insekten.
Unter anderem gehören das Eurasische Eichhörnchen, das Grauhörnchen, das Streifenhörnchen und das europäische Ziesel zu dieser Familie.
Das Grauhörnchen, das Streifenhörnchen, das Finlayson-Hörnchen, das Pallashörnchen und das Fuchshörnchen stehen auf der auf der EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten.
Dies schließt für die EU der Import und die Haltung dieser Tiere aus, womit insbesondere der (weiteren) Verdrängung europäischer Eichhörnchen aus ihren angestammten Gebieten vorgebeugt werden soll.
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Das Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) ist eine ursprünglich nordamerikanische Art und gehört wie das Eurasische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) zur Gattung der Eichhörnchen (Sciurus).
Es ist größer als das heimische Eichhörnchen. Ein ausgewachsenes Grauhörnchen wiegt 400 – 700 g und erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge (ohne Schwanz) von ca. 30 Zentimeter.
Das Grauhörnchen ist dem Eurasischen Eichhörnchen äußerlich ähnlich. Es hat ein graues Fell, variierend von hellem Silbergrau und bis zu einem sehr dunklen Schwarzgrau. Relativ selten ist eine bräunliche Färbung zu beobachten.
In Europa wurden Tiere dieser Art auf den Britischen Inseln (England und Irland) sowie in Norditalien eingebürgert, möglicherweise auch in der Schweiz (Tessin).
Im Gegensatz zum europäischen Eichhörnchen sind Grauhörnchen große Waldschädlinge und Nahrungskonkurrenten der Vogelwelt. Da sie beim Futter weniger wählerisch sind, könnten sie sich schnell ausbreiten und so die einzelgängerischen Eichhörnchen aus ihren Habitaten vertreiben.
Das Grauhörnchen ist 2016 in die „Liste der unerwünschten Spezies“ für die Europäische Union aufgenommen worden und sollte demzufolge in den EU-Staaten ausgerottet werden. In England und Italien treten Tierschützer allerdings der Tötung der Tiere entgegen.
Wie kam es aber zur Ansiedlung von Grauhörnchen in anderen Ländern?
Großbritannien: Bereits im 19. Jahrhundert sahen britische Reisende und Geschäftsleuten in Grauhörnchen aus den USA eine Bereicherung für die Fauna Großbritanniens. Die erste erfolgreiche Einführung dieser Art geschah durch eine Aussetzung von vier Tieren im Henbury Park bei Macclesfield, einer Stadt südlich von Manchester.
Die neuen Eichhörnchen wurden schnell beliebt, was zu weiteren Aussetzungen führte. 1890 wurden zehn Grauhörnchen bei Woburn Abbey in Bedfordshire, einer Grafschaft nördlich von London, angesiedelt. Dort etablierte sich erfolgreich eine stabile Population, von der Tiere entnommen und auch in anderen Gebieten ausgesetzt wurden.
Der Bestand in England expandierte im laufe der Jahre und besteht heute aus mehreren Millionen Exemplaren. Grauhörnchen sind sozialer als Eurasische Eichhörnchen und lassen sich von diesen nicht vertreiben. Eurasische Eichhörnchen sind Einzelgänger und ziehen sich zurück, wenn andere Eichhörnchen in der Nähe sind. Dadurch wurde der Bestand heimischer Eichhörnchen in England im Laufe der Jahre immer geringer.
Bekämpfungsmaßnahmen gegen Grauhörnchen wurden durchgeführt, um
- den Bestand der Eurasischen Eichhörnchen wieder zu erhöhen,
- Schäden, die Grauhörnchen in Eichen- und Buchenwäldern anrichten, indem sie die Rinde von jungen Bäumen schälen, zu veringern sowie
- den Grauhörnchen zugeschriebenen Rückgang von Singvogelpopulationen durch Nahrungskonkurrenz aufzuhalten.
Der rasche Rückgang der Europäischen Eichhörnchen und die gleichzeitige Zunahme der Grauhörnchen in gemeinsamen Vorkommensgebieten – insbesondere in Großbritannien – soll auch auf einen Parapoxvirus zurückzuführen sein. Die sogenannten „Eichhörnchen-Pocken“ lösen eine hohe Sterblichkeit unter den heimischen Eichhörnchen aus, während die Grauhörnchen gegen den von ihnen verbreiteten Virus immun sind. Die Übertragung der Viren geschieht vermutlich vor allem bei einer nacheinander erfolgenden Nutzung eines Nestes. Da es weder Impf- noch Heilmittel gegen die Krankheit gibt, unterstützen diese Erkenntnisse die Forderung nach speziellen „Eichhörnchen-Reservaten“ in Großbritannien, die von Grauhörnchen freigehalten werden.
Italien: Die erste Aussetzung von Grauhörnchen erfolgte 1948 im Piemont - vier Grauhörnchen aus Washington DC wurden am Schloss Stupinigi freigesetzt. 1966 wurden weitere fünf Tiere aus Norfolk (Virginia, USA) in einem Park in Nervi (einem Stadtteil Genuas) ausgesetzt.
Eine weitere Aussetzung erfolgte dann 1994 in der Gemeinde Trecate, in dem drei Paare der Grauhörnchen durch die Gemeinde in einem städtischen Park ausgesetzt wurden. Diese wurden jedoch zwei Jahre später wieder eingefangen - im Rahmen von Maßnahmen, die Grauhörnchen in Italien auszurotten.
Weitere Tiere wurden immer wieder von Landbesitzern ausgesetzt, welche die Grauhörnchen von Aufenthalten in den USA mitbrachten.
Südafrika: Um 1900 führte Cecil John Rhodes die Grauhörnchen aus Nordamerika auf seinem Anwesen in Kapstadt in Südafrika ein.
In der EU, aber auch in der Schweiz, dürfen Grauhörnchen von Privatpersonen nicht mehr eingeführt und gehalten, gezüchtet, gehandelt, angeboten oder abgegeben werden.
Nach dem EU-Austritt hat die EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten für Großbritannien ihre Gültigkeit verloren.
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Die Streifenhörnchen, Backenhörnchen oder Chipmunks (Tamias) sind eine weitere Gattung der Hörnchen (Sciuridae). Sie umfasst 25 Arten, die meisten davon sind in Nordamerika beheimatet.
Nur eine Art lebt in Eurasien, das Asiatische Streifenhörnchen, (Tamias sibiricus), meist Burunduk genannt.
Die Tiere werden bis 28 Zentimeter groß und sind farblich sehr variabel (Grundfarbe grau-, gelb- oder rotbraun und die Farbe der Unterseite weiß, beige oder rötlich) - mit hellen und dunklen Streifen an der Körperseite.
Ursprünglich nur in Asien (Russland, Kasachstan, Korea, Mongolei, China, Japan) vorkommend, überwand die Art um 1850 den Ural, breitete sich langsam weiter nach Westen aus und überschritt im 20. Jahrhundert die Wolga. In den 1960er-Jahren wurden Burunduks erstmalig in Finnland gesichtet.
Auch in Mitteleuropa finden sich Burundukpopulationen, die bisher jedoch wohl nicht von zugewanderten, sondern von entlaufenen oder freigelassenen Tieren, abstammen. Die meisten Populationen sind recht klein und weisen meistens nur eine begrenzte Lebensdauer auf (einige Jahrzehnte).
Zumeist leben die Tiere in Parks, Friedhöfen, Tierparks oder städtischen Waldgebieten. Hinweise auf dauerhafte, sich selbst erhaltende und selbständig weiter ausbreitende Populationen liegen nur wenige vor, keiner davon aus Deutschland. Der ökologische Einfluss auf heimische Arten ist deshalb gering.
Die folgenden Bestände in Europa sind besonders bekannt geworden:
Schweiz / Genf: Eine wildlebende Population, eingebürgert in verschiedenen Stadtparks der Stadt.
Belgien / Brüssel: Im Brüsseler Stadtwald (Foret de Soignes) - seit den 1970er Jahren, ca. 2.000 Tiere dieser Art umfassend.
Italien / Belluno: Seit ca. 1970 in Wäldern entlang des Flusses Piave und angrenzender Kulturlandschaft auf ca. 5 bis 6 Kilometer Länge.
Italien / Verona, Rom: Beobachtungen kleinerer Populationen liegen aus beiden Städten vor.
Meldungen über Sichtungen gibt es auch aus den Niederlanden und Frankreich.
Für Deutschland sind am bekanntesten:
Freiburg im Breisgau: Über mindestens 30 Jahre existierte hier eine Population auf dem Freiburger Hauptfriedhof (einem 24 Hektar großen und von Mauern und Straßen begrenzten Areal). Der Bestand wurde 1976 auf ca. 120 bis 150 Tiere und 1995 noch auf ca. 70 Tiere geschätzt. Die Dichte in den günstigsten Lebensräumen betrug ca. 6,5 Tiere pro Hektar. Die Hauptnahrung der dortigen Burunduks waren Ahorn- und Lindensamen. Etwa im Jahr 2001 ist die Freiburger Population aber erloschen. Als Ursache des Zusammenbruchs wird Inzucht (von Nachkommen eines einzigen Elternpaares) angenommen. Auch die Abstammung von einer südlicheren wärmebedürftigeren Burunduk-Herkunft wird als eine mögliche Ursache nicht ausgeschlossen.
Münster (Westfalen): Waldfriedhof Lauheide - das Vorkommen existierte seit 1973/74 und umfasste Ende der 1970er Jahre ca. 200 Tiere. Neben Erdbauten gab es auch Nester mit Jungen, zweimal auch in Vogelnistkästen. Heute existiert die Population aber nicht mehr.
Remagen und Essen-Bredeney: Wildlebende Burunduks wurden für die dortigen Wildparks gemeldet.
Aschaffenburg: Im Park Schöntal waren ca. 70 bis 90 freilebende Burunduks angesiedelt, ohne Ausbreitungstendenz (zuletzt bestätigt 2016).
Zurückliegende Einzelnachweise gab es beispielsweise auch für Sachsen, so im Colditzer Forst (1997), im Bielatal (Sächsische Schweiz 2001) sowie auch ein Totfund in Zittau (1996);
Zuwanderung aus dem Osten könnte die bisher bestehenden Vorkommen in Mittel- und Südeuropa genetisch stabilisieren und auch eine weitere Verbreitung nach Westeuropa befördern.
Der Burunduk ist bereits 2016 in die „Liste der unerwünschten Spezies“ für die Europäische Union aufgenommen worden, weil die Gefahr einer Verdrängung des heimischen Eurasischen Eichhörnchen s(Sciurus vulgaris) gesehen wird.
Aber auch Borreliose können Tiere dieser Art wohl als Träger von Spirochäten übertragen.
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Auf der EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten stehen auch die noch nicht in Deutschland nachgewiesenen Arten Finlayson-Hörnchen, Pallashörnchen und Fuchshörnchen.
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Das Finlayson-Hörnchen (Callosciurus finlaysonii) kommt ursprünglich in Südostasien in Myanmar, Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam vor.
Das Finlayson-Hörnchen erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 19 bis 22 Zentimetern und ein Gewicht von etwa 280 Gramm und bleibt damit kleiner als ein Eurasisches Eichhörnchen (Sciurus vulgaris).
Die Färbung der Tiere ist sehr variabel und reicht von ganz weißen über rote bis zu ganz schwarzen Tieren sowie zu verschiedenen Kombinationen dieser und weiterer Farben im Rücken- und Bauchfell.
Die Art ist tagaktiv und ernährt sich hauptsächlich von Pflanzen und Früchten, Samen und Knospen. In den Wintermonaten ernähren sie sich die Tiere vor allem von Baumrinde und Borke. Sie können mehrere Würfe pro Jahr mit ein bis zwei Jungen haben.
Die Art wurde in Singapur und auch in Europa (Italien) eingebürgert und verbreitet. In Italien wurden Finlayson-Hörnchen 1981 eingeführt, wobei die nachfolgende Bestandsentwicklung wohl von einem 1981 in einem Park der Stadt Acqui Terme im Piemont freigelassenen Paar ausging.
1998 wurde die Gesamtzahl der Tiere in dem Park auf 40 bis 50 geschätzt, weitere befanden sich in umliegenden Gärten und Baumbeständen. Auch aus südlicheren Gegenden Italiens wurde von der Ansiedlung dieser Art berichtet.
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Das Pallashörnchen oder auch Rotbauchhörnchen (Callosciurus erythraeus) wird bis zu 40 Zentimeter lang – jeweils die Hälfte entfällt auf den Körper und den Schwanz. Die Tiere sind auf dem Rückenseite braun bis olivgrün und auf dem Bauch rötlich gefärbt. Ihre Ohren besitzen keine verlängerten Haare (Ohrpinsel).
Die ursprüngliche Heimat hat die Art im zentralen und östlichen Südchina (inklusive der Inseln Hainan und Taiwan) sowie in großen Teilen des südostasiatischen Festlandes von Vietnam bis nach Bangladesch und Nordindien.
Länder, in die das Pallashörnchen außerdem eingeführt und etabliert wurden, sind Argentinien, Japan, Frankreich und Belgien (seit 2005), die Niederlande, Italien sowie in den letzten Jahren vermutlich auch die Schweiz.
In Deutschland sind aber wohl immer noch keine etablierten Freilandvorkommen vorhanden.
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Das Fuchshörnchen (Sciurus niger) ist mit einer Gesamtlänge von 45 bis 70 Zentimetern und einem Gewicht von bis zu 1.000 Gramm das größte Baumhörnchen Nordamerikas.
Die orangeroten bis rotbraunen Fuchshörnchen sind Allesfresser. Sie ernähren sich von Nüssen, Baumsamen, Beeren, Früchten, Rinden, Knospen, Insekten, Vogeleiern, kleinen Reptilien und auch toten Fischen.
Heimisch im südlichen Kanada wurden sie auch an an der Ostküste der USA ausgesetzt. Mittlerweile reicht ihr Verbreitungsgebiet bis Nordmexiko.Durch den Tierhandel kamen sie für die private Tierhaltung nach Europa, wurden aber auch für die Jagd eingeführt.
Gefangenschaftsflüchtlinge oder absichtlich in die freie Natur freigesetzte Tiere wurden aber bisher in Europa nicht auffällig beobachtet.
Da Fuchshörnchen lebensfähige Populationen aus einer sehr kleinen Anzahl von Individuen in neuen Habitaten etablieren können, wurden sie faktisch prophylaktisch in die EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten aufgenommen.
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Das Streifen-Backenhörnchen (Tamias striatus), auch Östliches Chipmunk genannt, stammt aus dem Osten Nordamerikas und steht (noch?) nicht auf der EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten, obwohl es freilebende Populationen mindestens in den Niederlanden und Deutschland gibt.
So wurde eine schon seit Jahrzehnten frei im Wuppertaler Zoo (Nordrhein-Westfalen) lebende Population gestreifter Hörnchen in der Roten Liste als Sibirisches Streifenhörnchen (Eutamias sibiricus) zugeordnet, mittlerweile aber als Streifen-Backenhörnchen bestimmt.
Streifen-Backenhörnchen werden 13 bis 19 Zentimeter groß und sind am Rücken grau bis schwarz und zum Bauch hin hellbraun gefärbt - mit schwarzen und weißen Streifen an der Körperseite.
Streifen-Backenhörnchen sind in der privaten Tierhaltung sehr beliebt.