Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten: Text 06 - 10.12.2024: Invasive Fische – Asiatische Karpfen erobern Nordamerika!
Eingetragen von: HarHilAAn 10.12.2024 15:30:00 22 LesenFische haben ein erstaunliches Ausbreitungspotential. Wie geht ihre Verbreitung aber vonstatten?
Zu beobachten sind
- die natürliche Ausbreitung z.B. bei Änderung von Temperaturen oder des Salzgehaltes, Einschwemmen von Wasser (z.B. Aus der Nord- in die Ostsee),
- eine unbeabsichtigte Verbreitung durch Aufnehmen und Ablassen von Ballastwasser,
- die Verbreitung von Laich durch Wasservögel,
- Fehleinschätzungen der Nutzbarkeit von Fischarten zur Verbesserung der Gewässerqualität (wie z.B. der asiatischen Karpfen),
- die Verbreitung durch Freisetzungen aus Fischzuchten und -haltungen bei Katastrophen wie Überschwemmungen und Wirbelstürmen,
- die Verbreitung durch unverantwortliche Aquarianer und Teichbesitzer,
- die Verbreitung und Nutzung von Fischen zur Krankheitsbekämpfung (Gambusen zur Moskito- und damit Malaria-Bekämpfung, berühmt für ihre Rolle beim Bau des Panamakanals, der ohne sie nicht fertiggestellt worden wäre),
- der Fischeinsatz für Angler (z.B. der Sonnenbarsch – Lepomis gibbosus – der als Angelfisch 1877 aus Nordamerika nach Frankreich importiert wurde und mittlerweile in weiten Teilen Europas aber als invasive Art und gar „Fischunkraut“ gewertet wird).
In den deutschen Binnengewässern konnten bisher rund 60 gebietsfremde Fischarten nachgewiesen werden, von denen aktuell jedoch nur 16 Arten als etabliert gelten.
Zu den verbreiteten Arten zählen
Goldfisch (Carassius auratus)
Schwarzer Katzenwels/Zwergwels (Ameiurus melas)
Brauner Katzenwels/Zwergwels) (Ameiurus nebulosus)
Gemeiner Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus)
Kesslergrundel (Ponticola kessleri)
Marmorierte Grundel (Proterorhinus semilunaris)
Flussgrundel (Neogobius fluviatilis)
Blaubandbärbling (Pseudorasbora parva)
Bachsaibling (Salvelinus fontinalis)
Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss)
Amurgrundel / Amur-Schläfergrundel (Perccottus glenii)
Ctenopharyngodon idella(Graskarpfen)
Europäischer Hundsfisch (Umbra karmeri)
Kleiner Hundsfisch (Umbra pygmaea).
Blaubandbärbling und Goldfisch werden bei den Zier- und Teichfischen behandelt.
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Ein Paradebeispiel für invasive Fische ist der Nilbarsch (Lates niloticus), in Deutschland als Speisefisch meist Viktoriabarsch genannt, ein Süßwasser-Raubfisch aus der Familie der Riesenbarsche (Latidae) aus dem tropischen und subtropischen Afrika.
Der Nilbarsch wird maximal zwei Meter lang und bis zu 200 Kilogramm schwer und wurde im Viktoriasee Anfang der 1960er-Jahre ausgesetzt.
Sie vermehrten sich dort explosionsartig und verdrängten viele andere Arten, darunter die bei Aquarianern beliebten Haplochromis-Buntbarsche, starben daraufhin aus. Der Nilbarsch wurde u. a. deshalb in die Liste der 100 gefährlichsten Neobiota aufgenommen.
Ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Folgen der Aussetzung und Ansiedlung dieser Art im Viktoriasee werden im Dokumentarfilm „Darwin’s Nightmare“ (2004) des österreichischen Regisseurs Hubert Sauper dargestellt.
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Der Froschwels (Clarias batrachus), auch bekannt als Marmor Clarias, erreicht eine Körperlänge von maximal 50 Zentimeter, kommt ursprünglich in Sri Lanka, Ostindien und Malaysia vor.
Diese Fischart stammt aus Südostasien, hat sich jedoch weltweit ausgebreitet, stellt eine große Bedrohung für einheimische Ökosysteme dar und steht auf der Liste der 100 der schlimmsten invasiven gebietsfremden Arten der Welt.
Der Froschwels ist bekannt für seine hohe Fortpflanzungsrate und seine Fähigkeit, sich verschiedensten Gewässertypen anzupassen.
Vorbeugende Maßnahmen sind deshalb entscheidend für eine erfolgreiche Bekämpfung von invasiven Arten wie dem Froschwels.
Um seine Verbreitung einzudämmen, sind präventive Maßnahmen unerlässlich. Dazu gehört die Überwachung von potenziell gefährdeten Gebieten, um frühzeitig das Eindringen des Froschwels zu erkennen. Dies kann durch regelmäßige Untersuchungen der Gewässer und gezielte Fangaktionen erfolgen.
Des Weiteren ist es wichtig, die Öffentlichkeit über die Gefahren des Froschwelses aufzuklären und wirksame Maßnahmen zur Vermeidung seiner Verbreitung zu empfehlen. Dazu gehört beispielsweise die Reinigung von Booten und Ausrüstung nach dem Angeln in Gewässern, in denen der Froschwels vorkommt.
Zusätzlich können biologische Kontrollmaßnahmen in Betracht gezogen werden, um den Bestand des Froschwelses zu reduzieren. Dies kann durch die Einführung von natürlichen Feinden oder die Veränderung des Lebensraums geschehen, um dem Froschwels das Überleben zu erschweren.
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Europäischer Hundsfisch (Umbra karmeri), bis 13 Zentimeter, ursprünglich in Binnengewässern Südosteuropas im Einzugsgebiet der Donau von Österreich und Ungarn über die Slowakei bis zum Donaudelta in Rumänien vorkommend. Zudem findet man ihn im Unterlauf des Dnister im Gebiet um Odessa. Er ist in Deutschland inselartig in der Nähe von Großstädten verbreitet, es liegen aktuelle Nachweise aus Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor. In den anderen Bundesländern scheint die Art heute nicht (mehr) vorzukommen. Alle bekannten Bestände sind selbstreproduzierend.
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Kleiner Hundsfisch (Umbra pygmaea), bis 13 Zentimeter, ursprünglich im östlichen Nordamerika. Lokal ist er über private Tierhaltung in West- und Zentraleuropa eingeführt worden (Zentralfrankreich, Norddeutschland, Hessen). In Hamburg wurde er 1985 erstmalig gefunden, 1990 und 2019 gab es erneute Nachweise. Der Kleine Hundsfisch steht aufgrund gleicher Umwelt- und Nahrungsansprüche in Konkurrenz mit dem bestandsgefährdeten einheimischen Europäischen Hundsfisch.
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Für Angler eingeführte Fische:
Der Sonnenbarsch – Lepomis gibbosus – ist eine Art, die als Angelfisch 1877 aus Nordamerika nach Frankreich importiert wurde. Heutzutage gilt er in weiten Teilen Europas als ”Fischunkraut” und wird als invasive Art bekämpft.
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Die bis zu bis zu 80 Zentimeter lange und 10 Kilogramm schwere Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) stammt aus Nordamerika und kam im 19. Jahrhundert über England auch nach Deutschland. Heute wird sie verfolgt, weil sie einheimische Arten wie die Bachforelle (Salmo trutta fario) verdrängen kann. Die Art zählt zu den 100 gefährlichsten Neobiota weltweit.
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Der Bachsaibling (Salvelinus fontinalis) wird selten über 35 und maximal bis 85 Zentimeter lang. Er kommt aus Nordamerika, ist heute aber auch in kalten und sauerstoffreichen Gewässern Europas und Asiens verbreitet und ebenfalls eine Gefahr für die Bachforelle (Salmo trutta fario).
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Die eine Körperlängen von bis über 20 Zentimeter erreichende Schwarzmundgrundel (Neogobius melanostomus) ist relativ neu in Deutschland eingewandert.
In der Donau haben Wissenschaftler beobachtet, wie schnell eine Fischart einen neuen Lebensraum eroberte und dadurch ein neuartiges Ökosystem entstand. Die Schwarzmundgrundel kam unter anderem aus dem Schwarzen Meer, vermutlich als blinder Passagier im Ballastwasser von Schiffen.
Im Herbst 2009 wanderte die Schwarzmundgrundel in die Flussregion bei Bad Abbach ein und bildete dort rasch eine stabile Population. Einzelne Exemplare zogen dann weiter flussaufwärts. Bereits ein Jahr später wurden die ersten Grundeln bei Kelheim gesichtet - etwa 15 Kilometer stromaufwärts. Grundeln sind große und kräftige Tiere, die ein breites Nahrungsangebot nutzen und sich so im Beutewettbewerb gegen andere Arten durchsetzen können. Nach und nach verdrängen die Neuankömmlinge angestammte Fischarten wie Barbe oder Aitel. Stellenweise machen die Grundeln in ihren bevorzugten Habitaten, den Blocksteinufern, bereits über siebzig Prozent des gesamten Fischbestandes aus.
Aus der Ostsee kommend verbreitet sie sich inzwischen auch Oder-abwärts. Nachgewiesen wurde sie mittlerweile auch in Bad Oldeslohe in Schleswig-Holstein.
Auch in den nordamerikanischen Großen Seen breitet sich diese Grundel seit 1990 rasant aus.
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Als gelber Drachenwels (Tachysurus fulvidraco) wird ein ursprünglich aus Südost- und Ostasien stammender Fisch bezeichnet, der im Mai 2018 erstmals in der bayrischen Donau (in einem etwa 30 km langen Donauabschnitt zwischen Regensburg und Straubing) festgestellt wurde. Hier haben Fischer den bis zu 35 Zentimeter lang werdenden Fisch zum ersten Mal in ihren Netzen gefunden.
Wie der Gelbe Drachenwels in den Fluss kam, ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass diese Fische durch Hochwasser in den Fluss gespült oder aber auch ausgesetzt wurden und sich seitdem rasant vermehrt haben.
Der Gelbe Drachenwels ist in seiner ostasiatischen Heimat, vor allem in China, eine kommerziell wichtige Fischart, die in Teichen speziell für den Verzehr gezüchtet wird. Sein Fleisch soll sehr schmackhaft sein. Zu Beginn der Laichzeit im April oder Mai legen die Männchen Gruben im Flachwasser stiller Altarme an. Dort laichen sie mit den Weibchen ab und betreiben die Brutpflege der Eier und geschlüpften Larven.
Beim Umgang mit diesen Fischen ist Vorsicht geboten, denn die gezähnten Flossenstrahlen können schmerzhafte Wunden verursachen.
Die Stacheln des Drachenwelses sorgen für einen hervorragenden Schutz vor Fressfeinden, da selbst große Raubfische wie Wels und Hecht den Drachenwels als Beute verschmähen.
Mit einer weiteren Ausbreitung des Drachenwelses über die über die gesamte niederbayerische Donau wird gerechnet. Sorge bereitet, dass die Drachenwelse in hoher Dichte gerade die Donau-Altwasser besiedeln. Die Altwasser sind die Laichgewässer der meisten Donaufische und kleine Fische gehören zum Nahrungsspektrum des Drachenwelses. Rückgänge bei den anderen Fischarten wären die befürchtete Folge.
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Zu den asiatischen Karpfen zählen vier Arten: Silberkarpfen(Hypophthalmichthys molitrix), Marmorkarpfen(Hypophthalmichthys nobilis),
Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) und
Schwarzer Amur (Mylopharyngodon piceus).
Neuerdings werden sie in den USA offiziell als „Invasive Karpfen“ bezeichnet. So soll antiasiatischen Ressentiments vorgebeugt werden.
Die Tiere sind ein Beispiel dafür, wie ein gut gemeinter Eingriff von Menschen in die Natur verunglücken kann (so wie mit der Aga-Kröte in Australien oder Asiatischen Marienkäfern in Europa). Die Karpfen wurden in den 1960er-Jahren aus China in die USA importiert, um den Pestizideinsatz gegen Algen in Aquakulturen abzulösen. Asiatische Karpfen sind sehr gefräßig, sie sollten als biologische Schädlingsbekämpfer das Plankton konsumieren.
Die frisch geschlüpft aber noch winzigen Fische verbreiteten sich jedoch unerwünscht. Aufgrund fehlender natürlicher Feinde leben sie nun zu Tausenden im Mississippi und seinen Nebenflüssen, fressen heimischen Arten die Nahrung weg und vertilgen vom Aussterben bedrohte Muscheln. Falls sie in die Großen Seen vordringen, das größte Süßwassergebiet der Erde, wäre das verheerend.
Die US-Armee wurde deshalb beauftragt, die weitere Ausbreitung dieserKarpfen mittels elektronischer Unterwasserschranken und Zäunen auf dem Überflutungsgebiet des Eriesees zu verhindern. Dafür wurde ein Etat von 80 Millionen USD bereitgestellt. Maßnahmen wie Abschreckung durch Licht und Lärm sowie gezielte Vergiftung brachten keinen Erfolg. Es wird wohl für den Fall eines Misserfolges sogar erwogen, das Schleusen- und Kanalsystem zwischen dem Illinois River und dem Michigansee bei Chicago dauerhaft zu schließen.
Wegen des oftmals schlammigen Geschmacks des gründelnden Fisches war der Versuch ihrer kulinarischen Vermarktung auch nicht erfolgreich.
Auch in Deutschland wurden in den 60er-Jahren Asiatische Karpfen eingeführt, sie sollten wegen Überdüngung mit Wasserpflanzen zugewachsene Seen reinigen. Nicht selten ließen sie jedoch nur noch eine abgefressene Schlickwüste zurück und hatten so das Gewässer ökologisch zerstört. Durch Hochwasser gelangten diese Karpfen auch in Deutschland in andere Flüsse. Wegen der noch zu niedrigen Temperaturen können sie sich jedoch (noch?) nicht fortpflanzen.
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Wiederansiedlungsprojekte für Fische sind
Lachse im Rhein: Ende der 1950er starben die Rhein-Lachse durch Industrialisierung, giftige Abwässer und Kanalisierung aus.
Störe in der Oder: 1968 wurde der letzte Stör in der Oder gefangen.
Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © Oktober 2024.