Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten: Text 09 - 13.12.2024: Papageien in Europa, Etablierung und Ausbreitung auch in Deutschland!

Eingetragen von: HarHilAAn 13.12.2024 14:10:00 85 Lesen

Noch ist nicht jedem bekannt, dass Papageien faktisch zu den in Deutschland heimischen Vögeln zählen: Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten zum Papageienland geworden - vier Papageienarten haben sich hier mittlerweile angesiedelt.

Insbesondere in vielen Städten des Rhein-Main-Gebietes sind die intelligenten Vögel in den letzten Jahrzehnten heimisch geworden!

Papageien gehören in der Systematik der Vögel zur Ordnung der Psittaciformes (Papageienvögel).

Zur Familie der „Eigentlichen Papageien“ (im Unterschied zu den Kakadus) zählen vier mittlerweile seit Jahrzehnten auch in Deutschland (Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg) ansässige Papageien-Arten. Dies sind

- der Halsbandsittich (auch Kleiner Alexandersittich, Psittacula krameri, ursprünglich südliches Afrika und Asien),
- der Alexandersittich (auch Großer Alexandersittich, Psittacula eupatria, Asien),
- der Mönchssittich (Myiopsitta monachus, Südamerika) sowie
- die Gelbscheitelamazone (Amazona ochrocephala, Südamerika).

++++++++++++

Der Halsbandsittich (Psittacula krameri), auch Kleiner Alexandersittich genannt, ist eine Vogelart, die zur Familie der Altweltpapageien (Psittacidae) gehört. Es ist die am weitesten verbreitete Papageienart und kommt sowohl in Afrika (südlich der Sahara) als auch in Asien (auf dem gesamten indischen Subkontinent) vor.

Als Neozoon ist er auch in Europa und Nordamerika verbreitet.

Vor mehr als 2.300 Jahren wurde er unter der Gefolgschaft von Alexander dem Großen aus Asien nach Griechenland gebracht, daher auch die Bezeichnung (Kleiner) „Alexandersittich“ neben dem etwa gleichzeitig eingeführten Großen Alexandersittich.

Die Farbe der Tiere ist grasgrün, Männchen färben ein namengebendes Halsband aus, das vorne schwarz und im Nacken rosa ist. Die Länge (einschließlich Schwanz) beträgt zirka 40 Zentimeter.

Die Ersteinbringung für Deutschland ist zu 1874 als Bestand des Zoologischen Garten Köln dokumentiert.

Gleichwohl ist am Geschichtsfries des Neuen Rathauses in Hannover ein Halsbandsittich abgebildet und zeigt das mutmaßlich ab dem 14. Jahrhundert stattfindende „Papageienschießen“ in Hannover.

Der Erstnachweis in jüngerer Zeit erfolgte 1960-1967 für offenbar seit den 1960er Jahren bestehende Vorkommen, so z.B. seit 1967 in Köln (vermutlich aus dem Kölner Zoo entflogen), erste erfolgreiche Bruten wurden 1969 festgestellt.

Allein im Kölner Raum leben mittlerweile einige Tausend dieser Vögel.

Immer wieder machen sich Grüppchen der Vögel auf die Suche nach passenden neuen Lebensräumen. So sind inzwischen unter anderem auch Bonn, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Heidelberg, Ludwigshafen, Mainz, Mannheim, Speyer, Wiesbaden, Worms und Zweibrücken dicht von den Sittichen besiedelt.

Besonders gern halten sich die Halsbandsittiche in Platanen auf, die sie besonders gern als Schlaf- wie auch Brutbäume nutzen. Tagsüber verteilen sich die Vögel zur Nahrungssuche ins Umland, bei Anbruch der Dämmerung kehren sie dann in großen Schwärmen laut kreischend publikumswirksam auf ihre Schlafbäume zurück.

In Deutschland brütet der Halsbandsittich besonders gerne in Höhlen alter Baumbestände, wie sie in Parks, Friedhöfen und großen Gärten vorkommen. Dabei bevorzugt er Platanen, die er auch als Schlafbäume nutzt. Seit einigen Jahren brüten Halsbandsittiche auch in der Styroporschicht der Außenfassaden wärmegedämmter Gebäude (so in Heidelberg, Leverkusen und Ludwigshafen).

In London werden Halsbandsittiche insbesondere von Wanderfalken gejagt. Dort wurden die Sittiche zudem auch als Beutetiere von Baumfalke, Sperber und Waldkauz nachgewiesen.

Auch in der aktuellen Kunst und Kultur hinterließen die Papageien ihre Spuren:

2018 veröffentlichte die deutsch-italienische Comic-Künstlerin Sarah Burrini (Hauptwerk: Das Leben ist kein Ponyhof) einen Comic, in dem ein Halsbandsittich von einem heimischen Vogel rassistisch beschimpft wird. Dieser reagiert gelassen und weist auf Kölsch darauf hin, dass er in Köln geboren und somit Kölner ist ☺

2020 veröffentlichte der deutsche Musiker/Sänger-Songschreiber Maxim auf dem gleichnamigen Album das Lied „Grüne Papageien“, in dem er „grüne Papageien über Nachkriegsbauten “ besang.

2022 widmete die Kölsch-Rock-Band Kasalla zusammen mit Rapper Eko Fresh den Vögeln den Song „Jröne Papajeie“. Mit dem Text „Fleeje jröne Papajeie - bunte Vüjel su wie du un ich“ sind die Sittiche ein Sinnbild für die bunte Vielfalt und die Vielzahl der verschiedenen Kulturen innerhalb der vielfarbigen Kölner Stadtgesellschaft.

++++++++++++

Der Alexandersittich (Psittacula eupatria) wird oft auch Großer Alexandersittich genannt (im Gegensatz zum Kleinen Alexandersittich, dem Halsbandsittich).

Es ist eine in Asien (Afghanistan, Pakistan, Indien, Birma, Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam, Sri Lanka) verbreitete Papageienart aus der Gattung der Edelsittiche.

Der große Alexandersittich hat um den Hals ein vorn schwarzes und hinten rosafarbenes Band. Er wird mit bis 62 Zentimeter Gesamtlänge erheblich größer als der Halsbandsittich.

In Deutschland existieren Populationen, die auf Tiere aus Gefangenschaft zurückgehen, so in Wiesbaden, Mainz, Köln, Düsseldorf, Bonn, Mannheim und Heidelberg.

Die Ersteinbringung ist seit der Gründerzeit (1860-1864) durch den Bestand des Zoologischen Garten Köln dokumentiert.

Den Erstnachweis gab es 1979 im Eriskircher Ried (Naturschutzgebiet am Nordufer des Bodensees in Baden-Württemberg). Die erste Freilandbrut wurde 1987 in Wiesbaden festgestellt.

2024 wurde die Zahl der Alexandersittiche allein für Wiesbaden auf etwa Eintausend geschätzt.

In seltenen Fällen kommt es zu Hybriden mit dem Halsbandsittich.

++++++++++++

Die Gelbkopfamazonen (Amazona oratrix) haben ihr natürliches Verbreitungsgebiet in Brasilien und in einigen anderen Ländern Südamerikas.

Die in vier vier Unterarten klassifizierte Gelbkopfamazone ist kurzschwänzig und bis 38 Zentimeter groß. Ihr Gefieder ist grün und der Kopf gelb.

Sie bewohnt in ihrer Heimat Savannen, Laubwälder und auch feuchtere Flussgebiete.

Die Fähigkeit zur Nachahmung der menschlichen Sprache machte diese Papageien zu einem besonders begehrten Haustier.

Die brütende Population in Deutschland (seit 1984 in Stuttgart) ist bisher die einzige in Europa. Sie geht wohl auf entflogene Tiere der beiden Unterarten oratrix und belizensis zurück.

Bruthöhlen finden die Tiere in alten Platanen.

Weitere Populationen der Gelbkopfamazonen außerhalb ihrer ursprünglichen Verbreitungsgebietes gibt es in Kalifornien und Puerto Rico.

Diese Papageienart ist jedoch in ihrer ursprünglichen Heimat vom Aussterben bedroht.

++++++++++++

Ende der 1990er Jahre kamen zwei Blaustirnamazonen (Amazona aestiva) zur Population der Gelbkopfamazonen (Amazona oratrix) in Stuttgart hinzu. Die beiden Arten hybridisierten wohl 2006 erstmals miteinander, die Mischlinge sind fruchtbar.

Bis 2019 wuchs der Bestand dieser freilebenden Amazonen auf insgesamt 65 Exemplare an.

++++++++++++

Der Mönchssittich (Myiopsitta monachus) ist ein südamerikanischer Papagei aus der Familie der eigentlichen Papageien.

Die Größe beträgt bis ca. 29 Zentimeter, die Farbe ist grün, bläulich oder grau bis mehrfarbig.

Als einzige Papageienart baut er große Nester aus Zweigen.

Ursprüngliches Verbreitungsgebiet ist Argentinien, Uruguay, Bolivien, Paraguay und Brasilien.

In Deutschland wurden freilebende Mönchssittiche erstmals 1892 gesichtet und seit den 1920er Jahren auch erste Bruten nachgewiesen, seit 1978 existierten etablierte Brutkolonien in Bayern und seit 1985 auch in Hessen und Niedersachsen. Mitte der 1990er Jahre starben die Populationen aber ohne erkennbare Gründe wieder aus.

Die Art bewohnt offene Savannen und Waldgebiete in niedrigen Lagen und bis in Höhen von etwa 1.600 m. Der Mönchssittich gilt allgemein als nicht wandernd. Die Art ist in ihrem natürlichen Lebensraum sesshaft. Am Rand ihres jeweiligen Verbreitungsgebiets (z. B. in Ostbolivien) ist die Art jedoch möglicherweise weniger sesshaft.

Mönchssittiche sind neben Halsbandsittichen die Papageien unter Neozooen mit der weitesten Verbreitung und damit auch die weltweit verbreitetsten Papageienarten.

Durch gezielte Einbürgerung und/oder durch die Vermehrung aus Gefangenschaft entflogener Exemplare ist der Mönchssittich in vielen Teilen der Welt Brutvogel und damit heimisch geworden: Er kommt in weiten Teilen der USA, in Chile, Mexiko und Europa ( u.a. in Spanien einschließlich der Kanarischen Inseln, Frankreich einschließlich Guadeloupe, Österreich, Belgien, Tschechien, Slowakei, Deutschland, Griechenland, Großbritannien) vor. Auch in den USA, Mexiko, Japan, Kenia, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Südafrika und den Kaimaninseln gab es bereits Sichtungen.

Eine Besonderheit dieser Art ist, dass Mönchssittiche oft ein Gebiet für eine gewisse Zeit besetzen und dann aber auch wieder verschwinden, wie das auch in Deutschland der Fall zu sein scheint.

++++++++++++

Ein trauriges Schicksal erlitt der bis 32 Zentimeter groß werdende Carolinasittich (Conuropsis carolinensis) aus den südlichen USA.

Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Carolinasittich einer der häufigsten Papageien auf dem deutschen Vogelmarkt. Dadurch gab es im 19. Jahrhundert in Deutschland mehrere Freiflüge dieser Art, in deren Folge auch eine Brutansiedlung im Raum Seebach (Thüringen) erfolgte.

Die Bestände wurden durch Abschuss z.B. 1876 sowie zuletzt in den 1920er Jahren drastisch verringert und letztendlich vernichtet.

Inzwischen ist die Art leider weltweit ausgestorben.

++++++++++++

Der Senegalpapagei (Poicephalus senegalus)kommt mit drei Unterarten in West- und Zentralafrika vor.

Die kurzschwänzigen Tiere erreichen eine Körperlänge bis 24 Zentimeter, das Kopfgefieder ist grau bis dunkelgrau. Oberseite, Flügel und Oberbrust sind hellgrün sowie Unterbrust, Bauch, Unterflügel- und Unterschwanzdecken gelb bis gelborange gefärbt.

Die Art ist auch als Mohrenkopfpapagei bekannt und in den letzten Jahren eine der am häufigsten eingeführten Papageienarten in Deutschland.

So kommt es, dass Senegalpapageien nicht selten in Freiland zzu sehen sind - durch Freisetzung oder Flucht ( u.a. in Baden-Württemberg 1999 bis 2005).

Bisher wurde jedoch nur eine Brut 1982 in Wiesbaden (Hessen) bekannt. Diese ergab drei ausfliegende Jungvögel.

In ihrer ursprünglichen Heimat gelten Senegalpapageien als Plage für die Landwirtschaft, da sie Produkte wie Hirse und Mais fressen.
++++++++++++

Der aus Australien stammende kleine, nur bis 20 Zentimeter lange, Wellensittich (Melopsittacus undulatus) wird sehr häufig als Haustier gehalten.

Die Wildform hat eine leuchtend grüne Grundfärbung mit einer schwarzen Querbänderung, den namensgebenden Wellen. Heute gibt es durch gezielte Zucht unzählige Farbvarianten (darunter olivgrün, himmelblau, kobaltblau, mauve, weißblau, grauflügelblau, violett, grau, anthrazit, weiß und gelb).

Bei dieser Art kommt es immer wieder zu kurzzeitigen Ansiedlungen und Brutversuchen, so z.B. schon 1934 in den Niederlanden und 1996 in Bayern. Doch bisher konnten sich die extremen Nahrungsspezialisten (die wohl ausschließlich Samen von Bodendeckerpflanzen fressen) auch klimabedingt nirgends in Europa dauerhaft freilebend halten.

++++++++++++

Allein in der Kurstadt Wiesbaden (Hessen) lebten schon 2016 geschätzt rund 3.000 Halsbandsittiche und mehrere Hundert der etwas größeren Alexandersittiche, die Population wächst von Jahr zu Jahr um etwa 15 Prozent.

++++++++++++

Schätzungen für 2014 gingen mittlerweile von einem Gesamtbestand von allein 30.000 wildlebenden Halsbandsittichen in Deutschland aus.

Bei einem für 2014 angenommenen Gesamtbestand von ca. 35.000 Tiere und einem weiteren Wachstum dürfte es mittlerweile rund 100.000 freilebende Papageien in Deutschland geben.

Im wärmeren Süden Deutschlands könnten sich die Sittiche sicher auch außerhalb städtischer Gegenden ausbreiten.

Im heimatlichen Indien oder in Israel ist der Halsbandsittich ein zum Teil verhasster Landwirtschaftsschädling.

Besonders Sonnenblumen sind für die körnerliebenden Vögel als landwirtschaftliche Nutzpflanze interessant, aus Spanienen gibt es bereits Berichte über erhebliche diesbezügliche Schäden.

Auch Maisfelder und Obstplantagen bieten Halsbandsittichen und anderen sich ausbreitenden Papageienarten eine stabile Nahrungsgrundlage. Das Forschungsnetzwerk ParrotNet prognostiziert, dass die klimabedingte Ausbreitung der Papageienpopulationen in Europa zunehmenden Druck auf die Wirtschaft ausüben werde.

Im Zuge der weiteren Klimaerwärmung werden sich die Sittiche zukünftig auch in weitere Gebiete Deutschlands ausbreiten, auch die Besiedelung der aufgrund von Aufheizung etwas wärmeren Wärmeinsel Berlin hat mittlerweile begonnen. So wurden schon 2021 die ersten Berliner Halsbandsittiche in Tegel gesichtet.

Die Vertreibung bzw. Bekämpfung der Papageienvögel ist schwierig.

Vergiftungsaktionen verbieten sich spätestens angesichts heutiger Tierschutzbestimmungen. Schon der Vogelkundler und spätere Berliner Tierpark-Direktor Heinrich Dathe hatte bereits 1951 die zu DDR-Zeiten noch üblichen Krähenvergiftungen wie in Sachsen-Anhalt als „Giftmord“ verurteilt. Er kritisierte die negative Einstellung zur Saatkrähe, die er selbst als ausgesprochen nützlich ansah und prangerte zudem die Krähenvergiftung z.B. durch das Auslegen von Gifteiern als Gefährdung für Greifvögel an.

Versuche, die Sittiche durch ein Paar nistende Wanderfalken zu verjagen, waren auf der als „Kö“ bekannten Düsseldorfer Prachtmeile „Königsallee “ erfolgreich. Anderenorts wurden Falken dagegen vom Papageienschwarm attackiert und zur Flucht gezwungen.

Auch Vertreibungsversuche durch nächtlichen Einsatz von Scheinwerfern blieb brachte keinen Erfolg. Nachdem die Vögel diese als ungefährlich erkannt hatten, wurden sie von ihnen als Wärmequelle genutzt.

Neben Nandu, Chile- und Kubaflamingo, Nil- und Kanadagans, Waschbär, Marderhund, Mufflon, Dam- und Sikahirsch, Amerikanischem Ochsenfrosch und seit Neuestem auch dem Goldschakal zählen die genannten vier Papageienarten zu den bekanntesten und für Beobachter besonders interessanten und zum Teil auch attraktiven der in Deutschland eingebürgerten bzw. eingewanderten Tiere, den sogenannten Neozoen.

Als heimisch gilt eine Tier- oder Pflanzenart dann, wenn sie in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population existiert - als etabliert, wenn es sie seit mindestens 25 Jahren oder 3 Generationen frei lebend in einem Gebiet gibt.

Generell zeigt sich diesbezüglich aber ein grundsätzliches Problem der Artenschutzpolitik: Wie genau sich die Ansiedlung gebietsfremder oder die Rückkehr lange ausgestorbener Arten auf das heimische Ökosystem auswirkt, zeigt erst die Erfahrung – aber wenn diese dann vorliegt, gibt es keinen Weg mehr zurück und muss man mit den Folgen leben.

Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © November 2024.