Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten: Text 02 - 05.12.2024: Rückkehrer – die Wiederansiedlung ausgestorbener Tierarten!
Eingetragen von: HarHilAAn 05.12.2024 14:10:00 69 LesenProjekte der Wiederansiedlung von in Deutschland ausgestorbenen Tierarten: Erst gibt es den Exzess (die unbeschränkte Wiederansiedlung), dann erst - nach negativen Folgen nicht zu Ende gedachten Handelns und entsprechenden Protesten - ist Weisheit erkennbar.
Die Wiederansiedlung ausgestorbener Tierarten ist nach dem BNatSchG § 37„die Wiederansiedlung … innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets … ist Aufgabe des Artenschutzes“. Dieses Bemühen ist Teil der Renaturierungsökologie.
Wolf, Luchs, Biber, Elch, Wisent, Kegelrobbe, Wildkatze, Ziesel, Bartgeier, Seeadler, Auerhuhn und Waldrapp gehören zu den bekanntesten Wiederansiedlungsprojekten.
Dabei gibt es Wiederansiedlung durch Ein(Rück)wanderung wie bei Wolf, Elch und Seepferdchen sowie die Wiederansiedlung durch Ansiedlungsprojekte wie bei Luchs, Biber, Wisent und Waldrapp.
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Der Wolf (Canis lupus) ist das größte Raubtier aus der Familie der Hunde und lebt meist in Rudeln (Familienverbände). Hauptbeute sind in den meisten Regionen mittelgroße bis große Huftiere. Seit dem späten Pleistozän in war der Wolf mehreren Unterarten in ganz Europa, weiten Teilen Asiens sowie in Nordamerika verbreitet.
Wölfe wurden in Mitteleuropa ab dem 15. Jahrhundert systematisch verfolgt, im 19. Jahrhundert waren sie in nahezu allen Regionen ihres weltweiten Verbreitungsgebiets vor allem durch menschliche Bejagung stark dezimiert und in West- und Mitteleuropa fast sowie in Japan vollständig ausgerottet. Seit den 1980er Jahren steht der Wolf in vielen Ländern unter Schutz, in europäischen Staaten durch die Berner Konvention und in der EU seit 1992 zusätzlich durch das Regelwerk der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH / Richtlinie 92/43/EWG).
Seit der Jahrtausendwende ist dadurch die Anzahl der Wolfsrudel in Mittel- und Nordeuropa wieder deutlich angestiegen.
Die letzten ursprünglich im Gebiet des heutigen Deutschland lebenden Wölfe wurden bis spätestens um 1850 ausgerottet. Die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis Ende des 20. Jahrhunderts in Deutschland angetroffenen Wölfe waren wohl ausnahmslos Zuwanderer.
Im Jahr 2000 wurde in der sächsischen Lausitz erstmals wieder eine erfolgreiche freie Aufzucht des Wolfes in Deutschland beobachtet. Seitdem hat der Bestand an Wölfen kontinuierlich zugenommen und auf große Teile Deutschlands ausgedehnt. Im Beobachtungszeitraum 2020/21 wurden in zwölf Bundesländern insgesamt 184 Rudel (bzw. Paare) und die Geburt von 556 Welpen registriert.
Verbunden mit der zunehmenden Ausbreitung gibt es aber auch zunehmend Konflikte von Wolf und Mensch!
Bei den von Wölfen im Jahr 2022 getöteten oder verletzten Nutztieren in Deutschland handelte es sich zu 88,6% um Schafe oder Ziegen, 4,2% um Gatterwild und in 6.0% um Rinder (zumeist Kälber).
Wenn Wölfe große Nutztiere töten, handelt es sich nach Mitteilung der DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf) zumeist um Jungtiere oder um einzeln gehaltene Rinder oder Pferde. Einzelne Wölfe können jedoch auch lernen, ausgewachsene Rinder und Pferde zu töten.
Weltweit wurden für die Jahre 2002 bis 2020 nach Angaben des IFAW 489 Angriffe von Wölfen auf Menschen festgestellt, darunter 380 Angriffe durch an Tollwut erkrankte Wölfe (14 Menschen starben). 67 prädatorische Angriffe (Menschen wurden als Beute angegriffen, wobei 9 Menschen starben, alle außerhalb Europas), 42 Angriffe erfolgten durch provozierte bzw. sich verteidigende Wölfe, wodurch 3 Menschen starben.
Die Sicherheit der Bevölkerung soll aber bei der Abwägung der durch Behörden angeordneten Maßnahmen immer an erster Stelle stehen.
Am 19. Dezember 2019 hat der Bundestag deshalb eine Neuregelung für den zulässigen Abschuss von Wölfen beschlossen. Den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (19/10899, 19/13289) nahm er auf Empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (19/16148) in namentlicher Abstimmung mit 361 Ja-Stimmen bei 275 Gegenstimmen an. Mit dieser Gesetzesänderung wurde der Abschuss von Wölfen in bestimmten Fällen erleichtert, zur Abwendung drohender „ernster landwirtschaftlicher Schäden“ durch Nutztierrisse können demnach „erforderlichenfalls auch mehrere Tiere eines Rudels oder auch ein ganzes Wolfsrudel entnommen werden“!
Der Wolf wird auch zukünftig bleiben, er bereitet aber auch Probleme – angesichts wachsender Bestandsdichte sicherlich auch zunehmend. Zielkonflikte wurden in der Vergangenheit oft nur ungenügend abgeschätzt - zukünftig muss dies realistischer erfolgen!
Nachträge:
28.09.2024: Zukünftig soll der Abschuss von Wölfen leichter möglich sein. Entsprechende Pläne für einen schnelleren Abschuss von Wölfen in der Europäischen Union haben in Brüssel eine entscheidende Hürde genommen.
Die Vertreterinnen und Vertreter der 27 Mitgliedstaaten darunter auch D, stimmten am 25.09.2024 dafür, den Schutzstatus der Tiere herabzusetzen und damit die Jagd auf Wölfe zu vereinfachen.
Die deutsche Bundesregierung sprach sich für die Änderungen aus und sorgte so für die Mehrheit. Es ist eine grundlegende Änderung im bisherigen Kurs der Ampel in der Wolfspolitik.
»Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den vergangenen Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist«, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vor der entsprechenden Abstimmung auf EU-Botschafterebene.
Die Initiative zur Lockerung kommt aus der Feder der EU-Kommission. Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng geschützt auf geschützt gesenkt werden soll. Damit könnten Wölfe höchstwahrscheinlich leichter abgeschossen werden, wenngleich Details dazu noch nicht feststehen.
Diese Entscheidung von Vertretern der EU-Staaten ist ein erster Schritt: Bis es so weit ist, dauert es aber noch.
Wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.
Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen.
Dieser Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind möglich.
Mit der Kursänderung reagiert die Bundesregierung auch auf eine langjährige Diskussion, die zunehmend aggressiv geführt wird. Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern häuften sich zuletzt und werden für die Weidetierhaltung – selbst erklärtes Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft – zunehmend zum Problem. Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von Wölfen würden Agrarfachleuten zu Folge zunehmend überwunden.
Während es Berichte über Wölfe gibt, die es bis in Ställe schaffen, ist die Tötung einzelner Tiere ein Problem. Wolfsschützer klagen vor Verwaltungsgerichten und verhindern so oft den Abschuss solcher Problemwölfe. Viehhalter in Flächenländern wie Brandenburg oder Niedersachsen fordern deshalb zornig ein Bestandsmanagement bis hin zu »wolfsfreien Zonen«.
Der Deutsche Bauernverband warnt dementsprechend vor steigenden Angriffen auf Nutztiere durch Wölfe. Für 2022 gibt die Lobbyorganisation mehr als 4.300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere an. 2018 lag diese Zahl den Angaben zufolge noch etwa halb so hoch.
Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF überlebte der Wolf zwar im Osten und Süden Europas, wurde in Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts aber ausgerottet. Das Tier wurde unter Schutz gestellt, mittlerweile leben wieder relativ viele Wölfe in Deutschland. Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2022/2023 bereits knapp 1.400 Wölfe nachgewiesen, Tendenz steigend. Das europäische Umweltbüro (EEB) – ein Dachverband von Umweltorganisationen – schätzt, dass in Europa rund 20.000 wildlebende Wölfe leben.
01.11.2024: In Stinstedt (Landkreis Cuxhaven) riss ein Wolf einen 1,60 Meter großen Hannoveraner Junghengst (1,5 Jahre) mit einem Kehlbiss und fraß dann Teile des 400 Kilo schweren Zucht-Hengstes, der Thomas Berger von der bekannten Pferdezüchter-Dynastie in Celle gehörte.
Vermutet wird der Wolf auch als Ursache für einen tödlichen Taxi-Unfall auf der B73 vor den Toren Hamburgs. Bei einer Kollision mit zwei Pferden kam ein Taxifahrer (48) ums Leben. Der Verdacht: Ein Wolf soll die Tiere so in Panik versetzt haben, dass sie von der Weide ausbrachen und vor das Taxi liefen. Die beiden jeweils 500 Kilogramm schweren Pferde verendeten.
26.11.2024: Der Bestand an Wölfen in Deutschland ist weiter angewachsen: 209 Wolfsrudel leben in Deutschland, insgesamt über 1.600 freilebende Tiere hat das Bundesamt für Naturschutz gezählt. Das Wachstum der Wolfspopulation hat sich aber verlangsamt.
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Nach Braunbär, Wolf und Persischem Leopard ist der Eurasische Luchs (Lynx lynx) das viertgrößte in Europa heimische Landraubtier.
Der Eurasische Luchs wird seit Jahrhunderten stark verfolgt, in Europa begannen im Spätmittelalter systematische Ausrottungsversuche.
Nachdem die Art zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitestgehend aus West- und Mitteleuropa verschwunden war, wanderte sie ab etwa 1950 aus angrenzenden Siedlungsgebieten wieder ein und wurde auch gezielt wieder angesiedelt. Heute sind unter anderem die Alpen, der Jura, die Vogesen, der Pfälzerwald, der Harz, das Fichtelgebirge, der Bayerische Wald, der Böhmerwald und der Spessart von Luchsen besiedelt. In Deutschland gilt der Luchs aber der Roten Liste des Bundesamtes für Naturschutz zufolge nach wie vor als stark gefährdet (Status 2).
Luchse sind durch direkte menschliche Verfolgung bedroht, weil sie von Jägern und Viehhaltern als Konkurrenten betrachtet werden und in vielen Regionen wegen ihrer Felle gejagt werden. Sie leiden zudem unter der Fragmentierung und Zerstörung ihrer Lebensräume unter anderem aufgrund der Intensivierung von Land- und Forstwirtschaft und teilweise auch unter Störungen durch Freizeitaktivitäten.
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Der Europäische Biber(Castor fiber) ist ein Nagetier, nach dem Capybaras (Wasserschwein) das zweitgrößte auf der Erde.
Die Wiederansiedlung des Europäischen Bibers (Castor fiber) in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte – allerdings wie beim Wolf mit einem „Aber“.
Der Biber ist in Europa durch die FFH-Richtlinie (Anhänge II und IV) besonders geschützt und unterliegt in Deutschland nicht dem Jagdrecht nach dem Bundesjagdgesetz.
Der Europäische Biber war ursprünglich in Europa und weiten Teilen Asiens heimisch, wurde dann aber durch Bejagung wegen seines dichten Pelzes und seines essbares Fleisches (vor allem auch als Fastenspeise) Ende des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa faktisch ausgerottet. Durch konsequenten Schutz und Auswilderungen im 20. Jahrhundert haben sich die Bestände des Europäischen Bibers in den letzten Jahrzehnten wieder erholt.
Biberbauten bestehen aus Wohnbauten und Biberdamm, teils ins ufernahe Erdreich gegraben, teils aus herbeigeschlepptem Baumaterial errichtet: lose (abgenagte) Äste, Zweige, Steine, Schlamm und durch den Biber gefällte Bäume bis zu einem Stammdurchmesser von 80 Zentimeter.
Wegen ihres Bäumefällens sind Biber insbesondere in der Forstwirtschaft unbeliebt. Obwohl sie meist jüngere Bäume nutzen, werden teilweise auch ausgewachsene Bäume angenagt oder gefällt.
Durch das Aufstauen von Gewässern kann es zu großflächigen Überschwemmungen mit nicht unbeträchtlichen Schäden kommen.
Wachsende Populationen wie in Mecklenburg-Vorpommern bereiten der Land- und Forstwirtschaft sowie dem Gewässerschutz stärkere Probleme, so dass es Bemühungen gibt, den europäischen Schutzstatus des Bibers wie in Schweden, Finnland, Polen und im Baltikum aufzuheben bzw. einzuschränken.
In Deutschland ist die Art immer noch streng geschützt und hat den höchster Schutzstatus, so dass auch für Erzeugnisse aus diesen Tieren (wie Mützen) Vermarktungs- und Besitzverbote sowie für ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten (wie ihre Burg) Zugriffsverbote bestehen.
Um den Konflikt zwischen Artenschutz und menschlichen Interessen zu entschärfen, setzen einige Länder auf ein gezieltes Bibermanagement.
Nachtrag vom 28.09.2024: Biber spielten im Wahlkampf zur Landtagswahl in Brandenburg 2024 eine Rolle: Im Schlagabtausch der Spitzenkandidaten des rbb berichtete Hans-Christoph Berndt, Spitzenkandidat der AfD, dass die Oder-Deiche mit vielen „Kesseln“ von Bibern unterhölt seien, er nannte „Kessel“ im Abstand von etwa 250 Metern und forderte, wie in den Niederlanden unmittelbar am Deich die Biber „gnadenlos wegzutreiben“. Da irrte Herr Berndt wohl insofern, als es sich in den Niederlanden weniger um die dort immer noch seltenen Biber als Problem handeln dürfte: Für die Niederlande ist die Bekämpfung von Bisams und Nutrias existenziell – große Teile des Landes liegen unter oder nur knapp über dem Meeresspiegel – daher die ungezählten Deiche in unserem Nachbarland. Bisamrattenfänger fangen und töten Bisams und Nutrias seit 1985 an der niederländischen Küste zum Schutz der Deiche. Rund 100.000 Bisamratten und Nutrias werden in Holland jährlich erlegt und beseitigt. Die Aufgabe erledigen um die 400 vom Staat fest angestellte Bisamrattenfänger.
Ein die Gefährdung von Deichen durch Biber, Bisams und Nutrias ausschließendes Management inklusive eines passenden Jagdrechts) ist aber ähnlich auch in Deutschland zwingend notwendig.
Nachtrag vom 03.10.2024: Ein Schritt in die richtige Richtung - nach Pressemeldungen sind in Brandenburg im Zuge des Hochwassers an der Oder um die 80 Biber erlegt worden, um die Deiche vor Schäden zu schützen (bei einem geschätzten Gesamtbestand von etwa 4.000 bis 4.200 Bibern in Brandenburg sicher eine vertretbare Entscheidung)!
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Der Elch (Alces alces) ist die größte heute vorkommende Art der Hirsche und hat eine Kopf-Rumpf-Länge bis 3 Meter, eine maximale Schulterhöhe von 2,3 Meter. Er wiegt bis 800 Kilogramm. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika. Der Elch wird von der IUCN als „nicht gefährdet“ eingestuft.
Durch Bejagung wurde der noch im Mittelalter in Deutschland weit verbreitete Elch ausgerottet. Nur gelegentlich wandern gegenwärtig Elche aus Polen nach Deutschland ein. Auch dort waren sie zwischenzeitlich fast ausgestorben, nur im Nationalpark Bialowieza überlebten sie. Aktuell umfasst der Bestand in Polen aber wieder rund 4.000 Tiere. Eine kontrollierte Wiedereinführung in Deutschland ist wegen erwarteter Konflikte mit der Forst- und Landwirtschaft jedoch nicht geplant.
Zunehmend gibt es aber die Einwanderung von Elchen aus Tschechien nach Bayern und auch in Brandenburg könnten nach Angaben des WWF aktuell schon wieder bis zu 15 Tiere dauerhaft leben.
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Für den Wisent (Bos bonasus; oft auch Bison bonasus) gibt es zwei Ansiedlungsprojekte.
Der Wisent ist eine europäische Rinderart, die bis in das frühe Mittelalter in den Urwäldern von West-, Zentral- und Südosteuropa vorkam.
Seit der Ausrottung des Auerochsen ist der Wisent Europas schwerstes und größtes Landsäugetier und die letzte wildlebende Rinderart. Geschlechtsreife Wisentbullen sind wesentlich schwerer und größer als ausgewachsene Kühe. Die Kopf-Rumpf-Länge beträgt bei Bullen älter als sechs Jahre bis zu drei Meter,der schwerste in polnischer Gehegezucht gehaltene Bulle erreichte ein Gewicht von 920 Kilogramm.
Mit dem Projekt „Wisente im Rothaargebirge“ wurde am 11. April 2013 im Kreis Siegen-Wittgenstein eine achtköpfige Herde, bestehend aus einem Bullen, fünf Kühen und zwei Jungtieren, ausgewildert. Im Dezember 2019 war die Herde auf etwa 25 Tiere angewachsen. Die Herde hatte dort schon seit März 2010 in einem 80 Hektar großen Auswilderungsgehege gelebt. Alle Tiere der Herde gehören der Flachland-Kaukasus-Linie und damit nicht der im Mittelalter noch in Deutschland lebenden Linie bzw. Unterart an.
Zu den wissenschaftlichen und rechtlichen Vorgaben für die Auswilderung, deren Erfüllung in dieser Zeit überprüft wurde, zählte unter anderem, dass ein natürliches Fluchtverhalten und eine natürliche Fluchtdistanz erreicht werden mussten. Ende Dezember 2012 erteilte dann das Landesumweltministerium in Düsseldorf die Genehmigung zur Auswilderung in die freie Natur. Die Herde wurde für eine Übergangszeit von zwei bis fünf Jahren mit GPS-Sendern zur Ortung ausgestattet.
2013 wurden in dieser Herde die ersten zwei Wisente seit Jahrhunderten in Deutschland in freier Wildbahn geboren. Die Herde hält sich weniger verborgen als erwartet und wurde schon in den ersten Wochen nach der Freisetzung mehrmals von Wanderern beobachtet.
2019 sollte ein für andere Tiere durchlässiger Zaun den Lebensraum der Herde für zunächst drei bis fünf Jahre auf ein Gebiet von 1500 ha Fläche begrenzen. Die Idee wurde jedoch 2021 verworfen, da der Zaun nicht durchsetzbar war.
Im Juli 2021 erreichten Schmallenberger Waldbesitzer in einem letztinstanzlichen Gerichtsurteil, dass die Wisentherde ihre Wälder nicht mehr betreten darf, da die Tiere dort jahrelang Rotbuchen durch Schälen der Rinde zum Absterben gebracht hatten. Außerdem hat sich die Herde monatelang an Silohaufen der Landwirte im Nachbarlandkreis Hochsauerland aufgehalten, dort vom Silo gefressen und dabei kein Fluchtverhalten mehr gezeigt.
Nachtrag vom 28.09.2024: 2023 umfasste die Herde im Rothaargebirge rund 40 Tiere und teilte sich: Eine Hälfte ist im Siegerland unterwegs, die andere im Hochsauerlandkreis. Inzwischen versucht ein runder Tisch Wege zu finden, wie das Zusammenleben mit den Wisenten möglichst konfliktfrei gestaltet werden kann.
Außer im Rothaargebirge werden über einhundert Wisente auch in der etwa 2.000 ha großen Wildniskernzone der Döberitzer Heide (ein weitgehend im Havelland gelegenes Gebiet, das zum südöstlichen Teil der Landschaftseinheit Nauener Platte gehört), an ein Leben unter naturnahen Bedingungen gewöhnt. Die Tiere sind dort jedoch weitläufig eingezäunt.
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Das grenzübergreifende Projekt „LosBonasus – Crossing!“ („Elch und Wisent – queren!“) unterstützt die natürliche Verbreitung der großen Pflanzenfresser von Polen nach Deutschland. Denn dank intensiver Schutzbemühungen erholen sich dort die Bestände beider Arten, sodass über kurz oder lang Wisent und Elch regelmäßig die Grenze nach Deutschland überqueren und sich hier langfristig ansiedeln könnten. Das Projekt soll ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben der großen Pflanzenfresser mit Bevölkerung, Politik, sowie Landnutzer:innen ermöglichen.
Nach einer langen Abwesenheit von mehr als 250 Jahren hatte 2017 zum ersten Mal ein Wisent die Grenze von Polen nach Deutschland überquert,noch am selben Tag wurde das Tier jedoch auf Anweisung deutscher Behörden in Lebus (Brandenburg) abgeschossen. In Polen führte dieser Abschuss zu einem gesellschaftlichen Aufschrei, denn der Bulle war kein Unbekannter und Wisente stehen unter strengem Schutz in ganz Europa.
Durch diesen Vorfall wurde deutlich, dass klare Regeln, geschultes Personal und praxistaugliche Handlungsoptionen für den Umgang mit wieder einwandernden Wisenten benötigt werden. Auch erste Zusammenstöße mit ein- und durchwandernden Elchen im Osten Deutschlands zeigten, wie dringend notwendig Lösungsansätze für das Zusammenleben mit beiden Arten sind.
Deshalb wurde das Projekt „LosBonasus – Crossing!“ im Jahr 2019 ins Leben gerufen. Es wird vom europäischen Kooperationsprogramm EU Interreg VA finanziell gefördert.
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Voraussetzung für eine erfolgreiche Wiederansiedlung sind entsprechende wissenschaftliche Kenntnisse und eine angemessene Überwachung des Projektes. Wenn sich trotz aller Vorsorgemaßnahmen und Präventionen durch wieder angesiedelte Tiere verursachte Schäden nicht vermeiden lassen, dann muss zwingend ein durch den Staat geregelter Schadensausgleich erfolgen. Und wenn schließlich alle Maßnahmen und Präventionen nicht greifen, ist es unter Umständen nötig, geeignete Maßnahmen gegen die Tiere zu ergreifen.
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Es gibt aber auch immer wieder eine erfolgreiche Rückkehr ohne zuvor entwickelte Wiederansiedlungsprojekte: So werden seit 2020 wieder vermehrt seltene Seepferdchen an den Stränden zuerst vor Ostfriesland und aktuell auch im Wattenmeer vor Schleswig-Holstein entdeckt.
Das Kurzschnäuzige Seepferdchen (Hippocampus hippocampus) gehört zu den Knochenfischen und lebt als Bewohner von Seegraswiesen im nordöstlichen Atlantischen Ozean (inklusive Nordsee) und im Mittelmeer.
In der Deutschen Bucht galt es seit den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts auf Grund der Zerstörung der Seegraswiesen durch Pilzinfektionen als ausgestorben, doch wurden seit 2003 regelmäßig wieder Seepferdchen aufgefunden, wasals Anzeichen für eine Rückkehr der Seegraswiesen und mit ihnen auch der Seepferdchen angesehen wird.
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Ausgestorbene Tiere, die bald wiederbelebt werden könnten?
Die Techniken des Klonens und der Gentechnik haben neue Möglichkeiten eröffnet, um ausgestorbene Arten wieder neu zu erschaffen.
Bis heute wurden rund 25 Tierarten geklont, darunter auch Affen. Weltberühmt wurde das Schaf „Dolly“.
Diskutiert wird die Neubelebung u.a. folgender ausgestorbener Arten:
- Wolliges Mammut,
- Wollnashorn,
- Irischer Elch,
- Auerochse,
- Kaspischer Tiger,
- Tasmanischer Tiger,
- Säbelzahntiger,
- Elefantenvogel
- Dodo und
- Wandertaube.
Nötig sind für das Klonen Zellproben mit intakter DNA. Es könnte auch mithilfe der Genschere Crispr-Cas9 aufgefundene DNA in das Erbgut geeigneter heutiger Tiere eingefügt werden.
Die einzige Tierart, die bislang wirklich wieder erschaffen wurde, ist der Pyrenäensteinbock (Capra pyrenaica pyrenaica), eine ausgestorbene Unterart des Iberiensteinbocks. Das letzte Tier starb 2000, vorher wurde ihm aber eine Zellprobe zum Klonen entnommen. Mit Hilfe dieser eingefrorenen Zellprobe wurde dann im Jahr 2003 ein Jungtier des Pyrenäensteinbocks und damit das erste Tier von einer ausgestorbenen Art geklont. Der von einer Ziege ausgetragene Klonstarb aber schon nach einigen Minuten an Lungenversagen und damit starb auch diese Unterart erneut aus.
Im Eis gefundene Kadaver vorzeitlicher Tiere sind gar nicht so selten: So haben Forscher in der Republik Jakutien im Nordosten Russlands einen tiefgefrorenen Wolf einer bereits ausgestorbenen Art entdeckt. Der Körper war im Permafrostboden bis heute erhalten geblieben. Möglicherweise handelt es sich bei dem etwa 32.000 Jahre alten Fund um Aenocyon dirus (Synonym: Canis dirus), eine vor etwa 13.000 Jahren ausgestorbene Art. Sie lebte im Pleistozän und war nicht, wie häufig angenommen, der Vorfahre des heutigen Wolfes (Canis lupus). Der Kopf ist mit etwa 40 Zentimeter Länge deutlich größer als bei heute lebenden Wölfen. Auch gut koservierte Überreste von Mammuts, Wollnashörnern und Höhlenlöwen wurden bereits im Permafrostboden (Dauerfrostboden) gefunden.
Teilweise faszinierend und zugleich auch beängstigend sind die möglichen „Wiederbelegungen“ mit Hilfe des Klonens: Man stelle sich nur etwa ausgewachsene Mammuts oder Säbelzahntiger in der heutigen Welt vor - von den Jurassic-Park-Sauriern ganz zu schweigen!
Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © September 2024.