Gebietsfremde und rückkehrende Tierarten: Text 08 - 12.12.2024: Invasive Schädlinge in der Land- und Forstwirtschaft /// Forschung & Lehre helfen bei der Schadensminimierung!
Eingetragen von: HarHilAAn 12.12.2024 09:50:00 22 LesenAlbert Einstein: “Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.” Albert Einstein (Falschzitierung) .
Dieses oft fälschlicherweise dem Nobelpreisträger Albert Einstein (weniger ein Insektenforscher denn ein genialer Astrophysiker) zugeschriebene Zitat weist aber trotzdem zu Recht auf die große Bedeutung der Bienen für die Ernährung der Menschheit hin.
Die Honigbiene ist wirtschaftlich sehr bedeutend: Rund 85 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge im Pflanzen- und Obstbau hängen in Deutschland von der Bestäubung der Honigbienen ab, dazu auch über die Futterproduktion in nicht unbeträchtlichem Maße die Viehwirtschaft.
Ein Leben ohne Bienen gibt es bereits in Teilen Chinas - hier werden Blüten von menschlichen Wanderarbeitern in großer Zahl mit Wattestäbchen von Hand bestäubt.
Aktuell setzen den Bienen zwei invasive tierische Feinde besonders zu: Die Varroamilbe und seit einigen Jahren (besonders in Frankreich) die Asiatische Hornisse. Sich abzeichnende zukünftige Bedrohungen für Bienen in Deutschland sind auch der Kleine Beutenkäfer und die Tropilaelaps-Milben.
++++++++++++
Die Varroamilbe (Varroa destructor) ist eine ausgewachsen nur etwas über einen Millimeter große Milbe, die als Parasit an Honigbienen (Apis mellifera und Apis cerana) lebt. Die Milbe entwickelt und vermehrt sich in der verdeckelten Brut im Bienenstock und ist der bedeutsamste Bienenschädling weltweit!
Der ursprüngliche Wirt der Varroamilbe aus dem tropischen Ostasien ist die Östliche Honigbiene (Apis cerana), bei der ausschließlich die Larven von Drohnen befallen werden. Auf die westliche Honigbiene (Apis mellifera) wechselte die Milbe durch in Kultur gehaltene Bienen, die in die Heimat von Apis cerana eingeführt worden waren. Der Befall von Bienenvölkern durch die Milbenart wird als Varroose (alter Name: Varroatose) bezeichnet.
In Deutschland ist sie in § 15 der Bienenseuchen-Verordnung zwar geregelt, aufgrund ihrer weiten Verbreitung wird aber im Unterschied zu Österreich und der Schweiz von einer Anzeige- oder Meldepflicht abgesehen.
Die Varroamilbe gilt als eine Hauptursache des in Deutschland seit einigen Jahren immer wieder im Herbst oder dem Winterhalbjahr auftretenden seuchenartigen Bienensterbens - vor allem bei einer gleichzeitigen Belastung durch Neonicotinoide (eine Gruppe von hochwirksamen Insektiziden, d.h. selektiven Nervengifte mit weitaus stärkerer Wirkung auf die Nervenzellen von Insekten als auf die Nerven von Wirbeltieren).
Die weltweit am weitesten verbreiteten Methoden zur Bekämpfung der Varroamilbe nutzen die Verwendung organischer Säuren wie Ameisen- oder Oxalsäure.
++++++++++++
Die aus Südostasien stammende bis drei Zentimeter lange Asiatische Hornisse (Vespa velutina) breitet sich seit 2004 in Europa aus. Sie hat inzwischen weite Teile Frankreichs besiedelt und auch in Belgien und den Niederlanden, in Großbritannien, auf der iberischen Halbinsel, in der Schweiz und in Italien gibt es inzwischen Nachweise.
2023/2024 wurde die Art auch in Ungarn, Österreich, Tschechien und sogar in den USA nachgewiesen. DNA-Analysen zeigten die wahrscheinliche Abstammung aller in Europa vorkommenden Asiatischen Hornissen von einer einzigen Königin!
Unterstützt durch die Klimaerwärmung hat sich diese tropische Hornisse auch nach Deutschland ausgebreitet. Der erste Nachweis erfolgte 2014 in Baden-Württemberg. Fast ein Jahrzehnt nach dem ersten Fund hat sich die Asiatische Hornisse im Südwesten und Westen Deutschlands flächendeckend ausgebreitet und bereits fest etabliert.
Diese Hornissen sind Allesfresser, bevorzugen aber andere Insekten. Sie fressen zu 80% Bienen, aber auch Fliegen und Käfer. Bienen jagen sie gezielt und lauern im Schwebeflug vor den Fluglöchern, um heimkehrende Flugbienen abzufangen.
Problematisch ist das Auftreten somit vor allem für Imker, weil dieser Bienenjäger Völker stark schwächen kann.
Auch für Menschen ist die asiatische Hornisse nicht ungefährlich, wenn ein Stich im Mund oder Rachenraum passiert. Das kann zu lebensgefährlichen Schwellungen, Atem- und auch Kreislaufbeschwerden führen.
++++++++++++
Auch der bis sechs Millimeter lange aus dem südlichen Afrika stammende Kleine Beutenkäfer (Aethina tumida) ist ein Parasit von Honigbienenvölkern.
Er trat 1996 erstmals in den südöstlichen USA auf und verbreitete sich von dort mit rasender Geschwindigkeit. 2004 wurde der Käfer erstmals in Europa (Portugal) nachgewiesen und 2014 in Italien. Der Käfer hat sich immer weiter ausgebreitet, aber Deutschland wohl noch nicht erreicht.
Bei starkem Befall erfolgt eine Schwächung des Volkes, Waben werden instabil und eine hygienische Honigernte ist wegen Gärung unmöglich.
Der Kleine Beutenkäfer gehört zu den gefürchtetsten Bienenparasiten, da bei Massenbefall ein ganzes Volk innerhalb kürzester Zeit vernichtet werden kann.
In Deutschland ist der Beutenkäferbefall eine anzeigepflichtige Tierseuche.
++++++++++++
Die bis 1 Millimeter großen ursprünglich nur in Asien verbreiteten Tropilaelaps-Milben sind in der Europäischen Union anzeigepflichtige Schädlinge. Nur von T. clareae and T. mercedesae ist bisher bekannt, dass sie die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) als Wirt nutzen und ähnliche Schäden wie Varroa-Milben anrichten. Sowohl die Bienenbrut als auch adulte Bienen können sterben, was zur Schwächung und zum Zusammenbruch des Volkes und zu Fluchtschwärmen (zur Flucht der Bienen aus ihren Stöcken) führen kann.
In Europa wurden diese Milben bisher nur in einer russischen Region Osteuropas (die sich zwischen dem Schwarzen Meer, dem Kaukasus und der Grenze zur Ukraine befindet) nachgewiesen, davor auch schon in Usbekistan.
Bisher sind sie in Deutschland noch nicht aufgetreten, das Risiko einer Einschleppung ist jedoch hoch.
++++++++++++
Maiswurzelbohrer, Maiszünsler, Japankäfer, Reblaus, Amerikanische Rebzikade, Marmorierte Baumwanze, Gewächshausmottenschildlaus (Weiße Fliege), Tabakmottenschildlaus, Kohlmottenschildlaus, Eichen-Prozessionsspinner, Buchsbaumzünsler, Rosskastanienminiermotte, amerikanische Kiefern- oder Zapfenwanze, Asiatischer Laubholzbockkäfer, Zickzack-Ulmenblattwespe, Platanen-Netzwanze, seit wenigen Jahren auch die Schilf-Glasflügelzikade und bisher nur in wärmeren Gebieten außerhalb Deutschlands besonders auch die Grüne Reiswanze, der Heerwurm und der Rote Baumwollkapselwurm sind weitere gefährliche Schädlinge für die Land- und Forstwirtschaft und den Gartenbau!
Hinzu kommen unzählige pflanzliche Invasoren wie das bereits in über 90 Ländern der Welt ausgebreitete Knollige Zypergras (Cyperus rotundus), das Erdmandelgras (Cyperus esculentus) oder die Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli) - um nur einige zu nennen.
Invasive Tier- und Pflanzenarten kosten Landwirtschaft und Gartenbau, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft nach mehreren Studien weltweit jährlich mehrere Hundert Milliarden US-Dollar.
Der World Wide Fund For Nature (WWF) hebt hervor, dass es für den Umgang mit fremden Arten kein Patentrezept gibt. Jede neue Art müsse genau beobachtet und untersucht werden, um einen sinnvollen Umgang in einem neuen Lebensraum gewährleisten zu können.
++++++++++++
Der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera) ist ein bis 7 Millimeter Länge erreichender Käfer und ein gefährlicher Schädling im Maisanbau. Er war ursprünglich im mittleren Amerika angesiedelt und breitete sich als sogenannter „Western Corn Rootworm“ schnell über die USA und Kanada im Maisanbau aus. Seit Beginn der 1990er Jahre ist er auch in Europa eingebürgert und schädigt auch hier ebenfalls in zunehmend den Maisanbau.
Von seinem ursprünglichen Herkunftsgebiet ausgehend begann 1992 die Ausbreitung in Europa, 2002 wurde er erstmals bei Paris nachgewiesen, inzwischen ist der Maiswurzelbohrer aber europaweit verbreitet. Genanalysen ergaben, dass die in Europa vorkommenden Käfer Nachkommen von mindestens drei unterschiedlichen Herkunftspopulationen und somit auch Einschleppungsereignissen sind.
Den Hauptschaden verursachen die Larven des Maiswurzelbohrers durch Wurzelfraß, aber auch die ausgewachsenen Käfer können Schäden verursachen (durch Nabenfraß ungleichmäßig ausgebildete und damit verminderte Kornanlagen).
In Österreich schätzt man den Ertragsverlust auf bis zu 75 Mio. Euro pro Jahr. Global sind geschätzt 20 Mio. Hektar Mais vom Maiswurzelbohrer befallen und werden mit Insektiziden behandelt.
Allein 14 Milllionen Hektar mit Befall und damit jährliche Ausfälle in Höhe von etwa einer Milliarde USD jährlich gibt es in den USA. Deshalb trägt der Schädling dort auch den Titel „Eine-Milliarde-Dollar-Käfer“.
Durchschnittlich werden zehn Prozent der Ernte auf befallenen Flächen verloren. In Einzelfällen beträgt die Quote allerdings bis zu 90 Prozent, so zum Beispiel in Serbien und Ungarn. Sollte der Käfer stärker nach Deutschland vordringen, so wären laut biologischer Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft ein Viertel der 1,5 Mio. Hektar Maisflächen akut bedroht. Die EU schätzt derzeit die zu erwartenden Schädigungen auf eine halbe Milliarde Euro jährlich.
Der Maiswurzelbohrer hat in Europa keine natürlichen Feinde.
Am nachhaltigsten wirkt eine Fruchtfolgenwirtschaft mit mindestens dreijährigem Verzicht auf Maisanbau. Die Anwendung von Insektiziden wird als empfindlicher Eingriff in die Ökologie der betroffenen Maisschläge derzeit vielfach abgelehnt, die Nutzung von Verfahren zur biologischen Bekämpfung wie der Einsatz von Nematoden der Art Heterorhabditis bacteriophora zur Bekämpfung der Larven und Puppen des Maiswurzelbohrers dagegen befürwortet.
++++++++++++
Der Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) ist ein Kleinschmetterling mit drei Zentimeter Flügelspannweite und zwei Zentimeter Länge und war ursprünglich in Süd- und Mitteleuropa, Nordafrika, Kleinasien und Westasien bis Turkestan verbreitet. Heute kommt er nahezu weltweit vor – schon zwischen 1910 und 1920 wurde er nach Nordamerika verschleppt.
Wirtspflanze Nummer Eins ist Mais, aber auch Hanf, Hopfen, Sorghum, Hirse, Beifuß oder Paprika werden befallen.
Der Maiszünsler gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Schädlingen von Mais. Nach Schätzungen der FAO werden allein von den Raupen des Maiszünslers weltweit etwa 4 Prozent der jährlichen Maisernte vernichtet.
Die Raupen fressen zunächst an jungen Blättern, dann bohren sie sich in den Stängel der noch jungen Maispflanze hinein und bis zum Herbst frisst sich die Raupe im Stängel weiter nach unten.Der Fraß der Zünsler verschlechtert die Wasser- und Nährstoffversorgung der Maispflanzen. Der Stängel wird ausgehöhlt und kann deshalb leicht abknicken. Die Fraßspuren sind zusätzlich auch Einfallstore für Pilzsporen.
Früher nur in Süddeutschland weit verbreitet, hat der Maiszünsler inzwischen eine deutschlandweite Verbreitung und kann bis zu 50 Prozent Ertragsverluste verursachen.
Die wirkungsvollste Bekämpfung ist tiefes Unterpflügen der Maisstoppel.
Die Anwendung von Insektiziden wird als empfindlicher Eingriff in die Ökologie der betroffenen Maisschläge gegenwärtig zumeist abgelehnt, die Nutzung von Verfahren zur biologischen Bekämpfung wie der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen dagegen befürwortet.
++++++++++++
Der nur etwa ein Zentimeter große Japankäfer (Popillia japonica) stammt ursprünglich aus Asien und wurde in Europa zum ersten Mal 2014 in der Lombardei (Italien) und Ende 2021 erstmals in Deutschland nachgewiesen.
An mehr als 300 Wirtspflanzenarten (Obstgehölze, Ackerkulturen wie Mais, Kartoffel, Gemüsepflanzen, Zierpflanzen und -gehölze, Grünflächen) wurde er nachgewiesen und verursacht zum Teil beträchtliche wirtschaftliche Schäden in Obstplantagen, Weinbergen, Baumschulen, Wäldern, Grünanlagen und Gärten sowie auf Äckern. Diese werden sowohl durch Larven im Boden wie auch durch die Käfer an Blättern, Blüten und Früchten verursacht.
Erfolgversprechend scheinen Methoden der biologischen Schädlingsbekämpfung zu sein: Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts wurde für die biologische Eindämmung der Japankäfer-Engerlinge in den USA das Bakterium Paenibacillus (ehemals Bacillus) popillae eingesetzt.
In der Schweiz werden aktuell Fadenwürmer (Nematoden) gegen den Schädling in öffentlichen Parks und Sportanlagen genutzt. Sie sollen im Boden in die Larven des Schädlings eindringen und diese töten. Die verwendeten Nematodenstämme wirken gegen Japankäferlarven sowie gegen Larven der Schädlinge Dickmaulrüssler und Gartenlaubkäfer und sind für andere Tiere und für Menschen als unbedenklich angesehen.
Die Beispiele von u.a. Agakröte und Asiatischem Marienkäfer und ihrer Nutzung zur biologischen Schädlingsbekämpfung zeigen jedoch, dass die Komplexität der Folgen für vorhandene Ökosysteme nur schwer voraussagbar ist.
++++++++++++
Die Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae, Syn.: Viteus vitifoliae) ist eine maximal 1,4 Millimeter große Blattlaus wurde im 19. Jahrhundert in Europa aus Nordamerika eingeschleppt. Sie ist bis heute ein bedeutender Schädling im Weinbau.
Die in Eurasien verbreitete Weinrebe (Vitis vinifera) wurde erst von europäischen Siedlern nach Nordamerika eingeführt. Viele der heute angebauten Reben sind Hybride aus europäischen und amerikanischen Reben, auch diese werden befallen. Später wurde die Reblaus, durch den Transport infizierter Reben, in nahezu alle Weinbaugebiete der Welt eingeschleppt (mit Ausnahme von Chile und Zypern).
Die aus Nordamerika stammende Reblaus wurde in den 1860er Jahren durch Rebstöcke von der Ostküste Amerikas über London zunächst ins südliche Frankreich eingeschleppt (Erstnachweis 1863) und breitete sich von dort schnell über sämtliche europäische Weinbaugebiete aus. In der Folge kam es im europäischen Weinbau zur sogenannten „Reblauskrise“ oder „Reblauskatastrophe“.
Besonders schwer traf es Frankreich: Zwischen 1865 und 1885 zerstörte die Reblaus große Teile der französischen Weinanbaugebiete, die erst um 1850 nach der Mehltaukrise durch neue Reben aus Amerika ersetzt worden waren. Die Folgen für die französische Landwirtschaft waren katastrophal: Insgesamt wurden fast 2,5 Millionen Hektar Rebfläche vernichtet. 1870 setzte die französische Regierung deswegen eine Kommission zur Bekämpfung der Reblaus ein, deren Vorsitz 1885 Louis Pasteur übernahm. Die Bemühungen der Kommission blieben jedoch lange Zeit erfolglos, da die chemische Schädlingsbekämpfung bevorzugt wurde und nicht die Verwendung resistenter Wurzelstöcke.
In deutschen Weinbaugebieten wurde die Reblaus erstmals 1874 in der Nähe von Bonn in der Gartenanlage Annaberg festgestellt, um 1885 im Weinbaugebiet Loschwitz (bei Dresden “Reblauskatastrophe in der Lößnitz“), 1907 im Mosel-Saar-Ruwer-Gebiet und 1913 im Weinbaugebiet Baden.
Im deutschen Reich gab es seit 1875 gesetzliche Regelungen zur Eindämmung. Reblaus-Kommissionen verfügten teilweise drakonische Eindämmungsmaßnahmen, die zum Teil massive Konflikte mit der Weinwirtschaft zur Folge hatten.
Durch Klimaveränderungen, brachliegende Weinberge und eine steigende Anzahl von Hausreben (Zierreben) nimmt das Auftreten der Reblaus in letzter Zeit wieder zu.
++++++++++++
Die geflügelte und bis 6 Millimeter lange Amerikanische Rebzikade (Scaphoideus titanus) überträgt Phytoplasmen von Rebstock zu Rebstock. Diese verursachen die Pflanzenkrankheit „Goldgelbe Vergilbung“. Die Zikade wurde von Amerika nach Europa eingeschleppt und 1949 das erste Mal in Frankreich festgestellt.
2004 wurde die Amerikanische Rebzikade erstmals in Österreich und in der Schweiz nachgewiesen. 2006 waren die Amerikanische Rebzikade und die Goldgelbe Vergilbung über die Weinbaugebiete Europas zwischen Portugal und dem Balkan weit verbreitet.
Infizierte Rebstöcke müssen vernichtet werden, damit die Zikade als Überträger die Krankheit nicht weiterverbreitet.
++++++++++++
Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis), wegen ihrer Vielfalt an Farben (gelblich bis fast schwarz) und Punktierungen auch „Harlekin-Käfer“ genannt, wurden seit den 1980er Jahren als Blattlausvertilger im Rahmen biologischer Schädlingsbekämpfung in europäischen Gewächshäusern eingesetzt und haben sich danach auch in freier Natur (in Deutschland mittlerweile faktisch flächendeckend) verbreitet.
Sie werden nicht selten örtlich durch massenhaftes Auftreten zur Plage und können auch der Weinwirtschaft Probleme bereiten. Im Unterschied zum heimischen Marienkäfer frisst die asiatische Art auch Weintrauben und verbringt gern die Nacht im relativ witterungsgeschützten Bereich der Trauben. Gelangen die Tiere so in größerer Zahl in die Maische, kann der Weingeschmack und damit die Weinqualität durch ihre chemischen Verteidigungssubstanzen (Hämolymphe) ganz erheblich leiden. Was dann auch beträchtliche wirtschaftliche Einbußen verursacht.
Mit in der Körperflüssigkeit des Asiatischen Marienkäfers enthaltenen Mikrosporidien (winzigen pilzähnlichen Einzellern) können sich heimische rote Marienkäfer (Coccinella septempunctata) infizieren, weil sie die Eier, Larven und auch erwachsene Exemplare ihrer asiatischen Konkurrenten fressen. Der Asiatische Marienkäfer verfügt über eine Resistenz gegen diese Parasiten. Gelangen sie in unsere einheimischen Marienkäfer, können diese jedoch daran sterben.
In Deutschland treten vor allem im Herbst große Schwärme Asiatischer Marienkäfer auf, bei manchen Menschen können die Käfer allergische Reaktionen verursachen.
++++++++++++
Die mit bis zu 17 Millimeter Körperlänge relativ große Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys), auch Stinkwanze genannt, stammt aus dem gemäßigten Ostasien und wurde in Nordamerika (Erstnachweis 2001 in Pennsylvania) und danach auch in Europa eingeschleppt. Diese Wanze wurde mittlerweile bereits in Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Ungarn, der Schweiz und Deutschland nachgewiesen.
Sie ist vor allem durch das Saugen an Früchten schädlich, so u.a. an Pfirsich, Aprikose, Apfel, Birne, Weinrebe, Haselnuss, Mais,Tomate, Paprika, Aubergine und Sojabohne.
Lästig (aber nicht gefährlich) wird sie für Menschen oft im Herbst auf der Suche nach Winterquartieren an Häusern und in Wohnungen.
Eine biologische Schädlingsbekämpfung wurden in den USA insbesondere mit Hilfe der Samurai-Wespe (Trissolcus japonicus) untersucht. 2014 wurde jedoch bekannt, dass sich diese Art, die in Asien Parasitierungsraten von 70 bis 90 % bei der Marmorierten Baumwanze erzielt, ebenfalls bereits in der freien Natur ausbreitet. In Europa wurde die Samurai-Wespe erstmals 2017 in der Schweiz und inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen.
Die Bekämpfung der Marmorierten Baumwanze mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ist hingegen aufgrund ihrer besonders hohen Toleranz gegen Insektizide sehr schwierig.
++++++++++++
Die 1,5 Millimeter lange weiße bis weißgelbliche Gewächshausmottenschildlaus (Trialeurodes vaporariorum), auch als Weiße Fliege bekannt, ist ein Schädling an Gemüse- und Zierpflanzen (besonders häufig an Gemüse wie Tomaten, Gurken, Bohnen, Paprika, aber auch an Zierpflanzen wie Fuchsien, Weihnachtssternen, Geranien, Rhododendren oder Hibiskus) und kann in Gewächshäusern erhebliche Ertragsausfälle verursachen. Die Schädigung entsteht weniger durch das Saugen des Pflanzensaftes, sondern vor allem durch die Absonderung von Honigtau, der bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit schimmelt.
Als ursprüngliches Verbreitungsgebiet dieser Mottenschildlaus wird Mittelamerika vermutet, etwa um 1848 wurde sie nach Europa eingeschleppt. Sie verträgt nur für kurze Zeit Temperaturen unter 0 °C und überlebt deshalb in Mitteleuropa nur unter sehr günstigen Bedingungen außerhalb von Gewächshäusern und Gebäuden.
Zur Bekämpfung werden in Gewächshäusern neben chemischen Spritzmitteln als biologische Methode der Schädlingsbekämpfung auch Schlupfwespen angewendet.
Für die Bekämpfung an Topfpflanzen können Lockstoff-Sticker, die in der Nähe der befallenen Pflanzen angebracht und an denen dann die angelockten Tiere kleben bleiben, genutzt werden.
++++++++++++
Die bis 1,3 Millimeter lange Tabakmottenschildlaus (Bemisia tabaci), auch Baumwoll-Weiße-Fliege genannt, stammt aus den tropischen Regionen Amerikas und gehört heute zu den ökonomisch bedeutsamsten Schädlingen in der Landwirtschaft weltweit. Neben den direkten Saugschäden und der Verschmutzung durch Honigtau und darauf wachsenden Rußpilzen ist sie auch Überträger von Pflanzenviren.
Die Tabakmottenschildlaus wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien eingeschleppt.
In Mitteleuropa tritt sie nicht regelmäßig im Freiland auf, ist aber seit den 1980er Jahren einer der bedeutsamsten Schädlinge in der Gewächshauswirtschaft: Tomaten, Paprika, Gurken und einer Vielzahl von Zierpflanzen (besonders stark an Weihnachtsstern, Hibiskus-Arten, Begonien, Pelargonien („Geranien“) und vielen anderen.
Die Bekämpfung dieser Mottenschildlaus mittels Insektiziden ist u.a. wegen Resistenzen schwierig.
++++++++++++
Die etwa 1,5 Millimeter lange Kohlmottenschildlaus (Aleyrodes proletella) war ursprünglich in Teilen Eurasiens und Afrikas mit milderem Klima heimisch. Die Art breitet sich weltweit aus und hat sich in Nord- und Südamerika sowie in Australien und Neuseeland als Neozoon etabliert.
Die Kohlmottenschildlaus befällt Kreuzblütler wie Kohlgewächse (insbesondere Grünkohl, Rosenkohl, Blumenkohl Brokkoli, Wirsing) und Raps - aber auch Luzerne, Klee, Endivien, Erdbeeren und Schöllkraut.
Sie schädigt durch Ausscheidung von Wachs- und Honigtau, auf denen sich Rußtaupilze ansiedeln können.
Im Unterschied zu anderen verwandten Mottenschildlaus-Arten kann die Kohlmottenschildlaus jedoch im Freiland an verschiedenen Pflanzen wie Raps oder Kohl aber auch an Rosen überwintern und so ab Frühsommer weitere Pflanzenarten befallen.
Optisch ist die Kohlmottenschildlaus durch ihre dunklen Flecken auf den Flügeln von den anderen Mottenschildläusen gut unterscheidbar.
Die Bekämpfung erfolgt durch Vorbeugende Maßnahmen und bei Befall direkt mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln.
++++++++++++
In der Forstwirtschaft verursacht der Eichen-Prozessionsspinner (Thaumetopoea processionea), ein Nachtfalter mit einer Flügelspannweite bis 36 Millimeter, immer wieder beträchtliche Schäden. Die Raupen kriechen oft in einer oder mehreren Hintereinander-Reihen ähnlich einer kirchlichen Prozession von Menschen, woraus sich der Artname ableitet.
Der Eichen-Prozessionsspinner ist von der Iberischen Halbinsel über Süd- und Mitteleuropa östlich bis in den Süden Russlands und nach Vorderasien verbreitet.
In Deutschland sind infolge der Massenvermehrungen mittlerweile alle Bundesländer betroffen, am stärksten Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt; dabei „profitiert“ auch diese Art von der globalen Erwärmung.
Maßnahmen zur Regulierung der Populationen des Eichen-Prozessionsspinners aus forstwirtschaftlichen Gründen werden nur in Ausnahmefällen als gerechtfertigt angesehen.
Umweltverbände lehnen flächendeckende Spritzeinsätze gegen den Eichenprozessionsspinner aus der Luft strikt ab; andere Tiere, wie die Raupen anderer Schmetterlinge oder brütende Vögel, könnten dadurch geschädigt werden.
In der Nähe von Siedlungen und Erholungseinrichtungen werden die Raupen des Eichen-Prozessionsspinners jedoch aus gesundheitlich-hygienischen Gründen bekämpft (die Brennhaare der Raupe können beim Menschen bei Hautkontakt eine oft mehrtägige Raupendermatitis auslösen).
++++++++++++
Der ursprünglich aus Ostasien stammende Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) wurde in Deutschland erstmals im Jahr 2006 am Oberrhein nachgewiesen.
Seitdem hat sich der Kleinschmetterling mit einer Flügelspannweite bis 45 Millimeter massiv europaweit ausgebreitet und verursacht erhebliche Schäden durch Kahlfraß seiner Raupen an Blättern und Zweigrinde von Buchsbäumen in Gärten und Parks.
Methoden zur Bekämpfung sind die Verwendung von chemischen oder biologischen Spritzmitteln sowie von Pheromon- oder Lichtfallen.
++++++++++++
Die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella) ist ein Kleinschmetterling (Flügelspannweite bis 7,5 mm) und durch die Raupen ein Fraßschädling der weißblühenden Gewöhnlichen Rosskastanie (Aesculus hippocastanum).
Die rotblühende Rosskastanie (Aesculus x carnea) wird dagegen kaum befallen.
Erstaunlich ist die extrem schnelle Ausbreitung der Motte: Erstmals wurde sie 1984 in Mazedonien, 1989 dann in Österreich und 1998 in Berlin nachgewiesen. 2002 erreichte sie im Westen die Iberische Halbinsel und die Britischen Inseln. Im Norden ist sie bereits nach Südskandinavien vorgedrungen. Im Osten hatte sie bis 2002 Moldawien, die Ukraine, Belarus und Russland erreicht und im Südosten wurde 2002 das Erreichen der Türkei berichtet.
Die Laubentfernung im Herbst ist die einzige praktikable Bekämpfungsmaßnahme, insbesondere im Stadtgebiet. Eine sorgfältige Entsorgung des Laubes zur Vernichtung der überwinternden Puppen ist wichtig, da die Kastanienminiermotte als Puppe in der Mine überwintert und im folgenden Frühjahr aus dem herbstlichen Falllaub schlüpft. Durch die gründliche Entfernung des Falllaubes auf öffentlichen und privaten Flächen wird eine beträchtliche Verringerung des Befalls durch die erste Generation der Miniermotte (April / Mai) erzielt.
Obwohl sich die Mottenpopulation im Laufe des Jahres wieder erholt, bleiben die Bäume an den Standorten, wo das Falllaub im Herbst beseitigt wurde im Frühsommer länger grün.
Eine Entfernung des Laubes ist aber nur wirksam, wenn die darin enthaltenen Puppen z.B. in Großkompostierungsanlagen abgetötet werden.
++++++++++++
Die Amerikanische Kiefern- oder Zapfenwanze (Leptoglossus occidentalis) erreicht eine Körperlänge bis 20 Millimeter. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Art umfasst den Westen Nordamerikas westlich der Rocky Mountains.
Durch Verschleppung und eigene Ausbreitung hat die Art ihr Areal in Nordamerika seit Mitte der 1950er Jahre bis an die Ostküste der USA ausgedehnt.
Wiederum durch Einschleppung wurde die Art 1999 erstmals in Europa nachgewiesen und hat sich seitdem als Neozoon über weite Teile Europas ausgebreitet.
In Plantagen zur Gewinnung von Koniferen-Saatgut verursacht die Art Ertragsminderungen durch das Saugen an den Zapfen. Daher wird sie in den USA als Schädling eingestuft.
Im Herbst 2018 trat die Amerikanische Kiefernwanze nach einem für ihre Vermehrung günstigen heißen Sommer in Deutschland in großer Zahl auf. Sie drang auf der Suche nach warmen Plätzen auch in Wohnungen ein, was von betroffenen Menschen als lästig empfunden wurde.
++++++++++++
Der bis vier Zentimeter lange schwarze (mit rund zwanzig über den Körper verteilten hellen Flecken) Asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) stammt aus Ostasien (Ursprungsregion in China) und wurde mit Bau- und Verpackungsholz oder mit lebenden Pflanzen verbreitet.
Der Käfer ist ein Holzschädling und kann durch Larvenfraß und durch das Eindringen von Sekundärschädlingen innerhalb weniger Jahre Laubholzbäume absterben lassen.
Der in China verursachte Schaden soll rund 1,5 Mrd. US-Dollar jährlich betragen.
Seit 1992 gibt es Freilandbefälle in den USA, seit 2011 in der Schweiz, seit 2012 auch in Deutschland, Österreich, in Frankreich, Italien und den Niederlanden.
Befall wird amtlich bekämpft und überwacht.
++++++++++++
Die nur etwa sechs Millimeter lange Zickzack-Ulmenblattwespe (Aproceros leucopod) wurde erstmals aus Japan und China bekannt.
In Europa trat diese Blattwespe erstmals im Jahr 2003 in Polen
und Ungarn auf. Seither wurde sie in den meisten europäischen Ländern (bisher ohne UK, Irland, Skandinavien) nachgewiesen.
Sie schädigt Ulmenpopulationen durch Larvenfraß, erkennbar an zickzackförmigen Fraßspuren an Ulmenblättern.
++++++++++++
Die maximal 3,7 Millimeter kleine Platanen-Netzwanze (Corythucha ciliata) ursprünglich in Nordamerika beheimatet, wurde nach Europa eingeschleppt und breitet sich seit den 1960er Jahren in Italien beginnend kontinuierlich auf dem Kontinent aus. Der erste Nachweis für Berlin, den neuen nördlichsten Verbreitungspunkt der Art in Deutschland, erfolgte im November 2021.
Sowohl die erwachsenen Tiere als auch die Larven saugen am Blattgewebe. Bei einem Massenbefall zeigen die Bäume Vergilbungserscheinungen mit vorzeitigem Blattfall.
++++++++++++
Die unscheinbare kleine (nur bis maximal 9 mm lange) Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) ist ein Insekt, das erst seit wenigen Jahren in Deutschland auffällig wurde. Sie ist wohl im Zuge der Klimaerwärmung von Frankreich nach Süddeutschland eingewandert und hat sich zunächst in Rübenschlägen ausgebreitet, wobei die Zikadenlarven im Boden (dort auch in tieferen Lagen) überwintern.
Die Schilf-Glasflügelzikade bereitet bisher vor allem in Rüben und Kartoffeln Probleme. Sie überträgt nicht nur die gefährliche Vergilbungskrankheit Syndrom Basse Richesse (SBR) in den Rüben (1991 erstmals im Burgund / Frankreich, 2007 in Heilbronn / Deutschland und 2019 erstmals auch in Bayern nachgewiesen), sondern führt auch in Kartoffeln zu Gummiknollen durch bakteriell verursachte Knollenwelke.
Durch den Fraß (Saugen) der Larven (Nymphen) und Adulten werden den Schaden verursachende Bakterien übertragen, mittlerweile auch bei Möhren, Rote Beete und Zwiebeln.
Weltweit sind Glasflügelzikaden weit verbreitet. In Europa sollen fast 150 Arten in über 20 Gattungen vertreten sein, in Deutschland sind es etwa 20 Arten. Etliche übertragen gefährliche Pflanzenkrankheiten. Bislang konnten sie sich in Deutschland kaum vermehren, aber wenn die Zikaden in Folge der Klimaerwärmung auch hier massenweise auftreten, nimmt der Befall mit Krankheiten in den Beständen massiv zu, so bereits in Schwaben und Altbayern, in der Pfalz, in Hessen oder in Baden-Württemberg.
Bisher sind der Süden und der Westen in Deutschland am meisten vom Befall durch die Schilf-Glasflügelzikade betroffen. Sie breitet sich aber jährlich um rund 20 bis 30 Kilometer nord- und ostwärts aus.
Der Zuckergehalt von Rüben geht durch SBR um bis zu 50 Prozent zurück. Bei Dürre und Hitze können wie 2023 auch bei Kartoffeln drastische Ertragseinbußen bis hin zu Totalverlust (fast nicht erntbar und nur ganz schlecht verwertbar) auftreten. Weniger schlimm ist es bisher bei Frühkartoffeln und in feuchten Jahren.
Befürchtet wird, dass der Anbau in betroffenen Gebieten – wenn die Schäden so stark zunehmen, dass es für die landwirtschaftlichen Betriebe nicht mehr wirtschaftlich ist - eingeschränkt oder gar aufgegeben wird.
Auch die verarbeitende Industrie ist extrem besorgt, wenn der Rohstoff nicht mehr verfügbar ist, ist das existenzbedrohend. Als Alternative einfach Kartoffeln oder auch Zuckerrüben aus weiter entfernten Regionen zu beziehen, lohnt sich wegen der hohen Transportkosten nicht.
Bisher gibt es keine wirksamen Pflanzenschutzmittel. Die Forschung zur Schilf-Glasflügelzikade steht erst am Anfang. Es sollen Präparate und Verfahren entwickelt werden, die den Zikadenbefall und SBR-Infektionen möglichst effektiv eindämmen.
Hoffnung macht ein RNA-basierter Pflanzenschutz, bei dem selektiv lebenswichtige Gene der Zikade ausgeschaltet werden sollen (entwickelt an der Universität Regensburg).
++++++++++++
Eine ziemlich verrückte Episode nicht nur der DDR-Geschichte bietet der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata). Der bis 15 Millimeter lange Käfer stammt aus Zentralmexiko und ist ein Schädling der aus dem südlichen Amerika stammenden Kartoffel.
Aus Colorado gelangte er Ende des 19. Jahrhunderts mit Schiffstransporten nach Europa. Schon für das Jahr 1877 sind erste Funde in Liverpool, Rotterdam und Mühlheim am Rhein bekannt.
Von Mai bis August 1950 erlebt dann die DDR eine Kartoffelkäfer-Plage. Fast 20 Prozent der Anbaufläche sind mit dem Kartoffelschädling befallen. Die Versorgung mit Kartoffeln ist dadurch ernsthaft bedroht.
Inder jungen DDR herrscht Mangel. Lebensmittel sind rationiert und die Regierung besitzt keine Kartoffelreserve. Saatkartoffeln für den Anbau sind ebenfalls knapp.
In dieser ohnehin kritischen Situation fallen plötzlich massenhaft Kartoffelkäfer über die Felder her und die fressen ganze Äcker kahl. Probleme mit dem gefährlichen Schädling sind allerdings schon seit dem Ersten Weltkrieg bekannt. Der „Coloradokäfer“ kommt aus Amerika und breitet sich in den 1930er-Jahren in Westeuropa aus. Bereits 1936 erreicht der Schädling die deutsche Grenze und befällt während des Krieges ganz Deutschland. Waren 1949 nur sechs Prozent der Kartoffelfelder befallen, sind es im Mai 1950 fast 20 Prozent.
Der sprunghafte Anstieg der Schädlinge beunruhigte die Bürger. Die Versorgung mit dem Hauptnahrungsmittel ist ernsthaft bedroht.
Als Gerücht hatte sich herumgesprochen, wem die DDR-Bürger die plötzliche Plage mit dem Kartoffelschädling angeblich zu verdanken haben: Dahinter stecke eine Verschwörung des Westens. Amerikanische Flugzeuge, die sich angeblich außerhalb der üblichen Flugkorridore bewegen, würden Kartoffelkäfer abwerfen.
Das Amt für Information der Regierung meldete in diesem Sinne: „Amerikanische Flugzeuge werfen Kartoffelkäfer ab“. Sofort wurde dies auch durch die DDR-Presse verbreitet. Das „Neue Deutschland“ schrieb am 16. Juni 1950: Eine außerordentliche Kommission stellte fest, dass USA-Flugzeuge große Mengen Kartoffelkäfer abwarfen.
Die DDR-Nachrichtenagentur meldet nur einen Tag später sogar: „Kartoffelkäfer-Geschwader in Stärke von 45 Flugzeugen“. Auch diese Nachricht wird in den DDR-Medien schnell verbreitet.
Eine Regierungskommission aus Politikern und Experten der DDR wird eingesetzt. Agrarstaatssekretär Paul Merker (1955 als „französischer Agent“ verurteilt) verleiht dem Kartoffelkäfer schließlich den Propaganda-Namen „Amikäfer“. Damit ist klar, wer hinter den vermeintlichen Anschlägen steckt: Der Kriegstreiber Amerika wolle den Frieden gefährden und die junge DDR schädigen.
Parallel beginnt der Koreakrieg und das bestätigt nach Ansicht der DDR-Propagandisten obendrein, dass der Kriegstreiber Amerika auch hinter dem perfiden Kartoffelkäfer-Anschlag steckt. Eine große Kampagne beginnt: Motiviert durch Plakate in Schaukästen, Briefmarken, Broschüren und Losungen gegen den „Amikäfer“, muss die Bevölkerung jetzt raus aufs Feld und dem Schädling zu Leibe rücken.
Selbst der Dramatiker Bertolt Brecht fiel auf diese Kampagne herein und widmete dem Kartoffelkäfer 1950 sogar ein Gedicht: Die Amikäfer fliegen silbrig im Himmelszelt, Kartoffelkäfer fliegen in deutschem Feld.
Lars-Broder Keil, Journalist und Historiker, meint dazu: Abwegig sei die Idee vom Kartoffelkäfer als biologische Waffe keinesfalls. Die Kartoffelschädlinge sind typische „Dual-Threat Agents“, das heißt Lebewesen, die sowohl eine natürliche Bedrohung von Mensch, Tier und oder Pflanze sind als auch militärisch oder terroristisch eingesetzt werden können.
Der bekannte DDR-Biologe Prof. Erhard Geißler schrieb dazu: Briten und Franzosen erwogen bereits im Ersten Weltkrieg den Einsatz von Kartoffelkäfern zur Vernichtung der deutschen Kartoffelernte. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nehmen die Franzosen solche Überlegungen wieder auf, was den Deutschen nach der Eroberung Frankreichs bekannt wird. 1942 berichtet ein V-Mann fälschlicherweise, die Westalliierten würden einen Angriff mit den Käfern vorbereiten. Hitler verbietet auf Grund dieser Falschmeldung deutsche Biokriegsvorbereitungen. Ungeachtet dessen züchtet die Wehrmacht 1943 Kartoffelkäfer und wirft sogar probeweise 14.000 Insekten über der Pfalz ab. Es bleibt bei diesem einmaligen Test. Die Käfer werden im Zweiten Weltkrieg niemals eingesetzt.
Wieder Lars-Broder Keil: Mit Amerikanern hat die Kartoffelkäferplage von 1950 in Wahrheit also nichts zu tun. Der noch von Nazideutschland geschaffene „Kartoffelkäferabwehrdienst“ ist nach dem Krieg weitgehend zusammengebrochen. Pflanzenschutzmittel stehen wegen der Demontage von Produktionsstätten kaum zur Verfügung. Das Wetter trägt die Hauptschuld an der plötzlichen Insektenplage: 1949 ist ein trockenes und warmes Jahr. Die Kartoffelkäfer vermehren sich sprunghaft. Schließlich führt das dann ein Jahr später, 1950, zu einer regelrechten Käferinvasion.
Die DDR-Führung versucht, dies nach dem Motto „Der Imperialismus ist die Mutter alles Bösen und hat an allem Schuld!“ zu kaschieren und macht die Amerikaner durch gezielte Propaganda für den Massenbefall verantwortlich, bis August 1950.
Westdeutsche und Amerikaner antworten auf die DDR-Propaganda übrigens mit einer eigenen Aktion und lassen im August 1950 Pappkäfer an Ballons über der DDR abwerfen.
++++++++++++
Seit Tagen arbeitete ich an einem Material, was ich einigen ehemaligen Kollegen beim diesjährigen Sommerfest des Fördervereins für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Humboldt - Universität zu Berlin e.V. überreichen will - mit der Bitte um kritische Stellungnahme. Hier der Wortlaut:
Varroamilbe, Asiatische Hornisse, Maiswurzelbohrer und -zünsler, Japankäfer, Schilf-Glasflügelzikade, Reblaus, Amerikanische Rebzikade, Marmorierte Baumwanze, Eichen-Prozessionsspinner, Buchsbaumzünsler, Amerikanische Kiefern- oder Zapfenwanze, Asiatischer Laubholzbockkäfer, Zickzack-Ulmenblattwespe, Spanische Wegschnecke, Papageien (Sittiche), diverse Gänsearten, Wolf, Schakal, Superkolonien bildende Ameisen sind nur einige der gebietsfremden bzw. rückkehrenden Bedrohungen für die Erträge in Deutschlands Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau.
Eine potentielle Bedrohung ist ganz besonders auch der sich von Regenwürmern ernährende, durch die Einfuhr von Zierpflanzen eingeschleppte und bereits in Großbritannien, Irland und auf den Färöern (Dänemark) etablierte und auch in Island nachgewiesene Neuseelandplattwurm. Hinzu kommen die Bedrohungen dieser und vieler weiterer Arten für die Artenvielfalt, natürliche Lebensräume und Ökosysteme.
Der bis 35 Zentimeter lang werdende und sich ebenfalls von Regenwürmern ernährende Hammerhaiwurm wird bereits seit 1898 in verschiedenen Gewächshäusern unter anderem der botanischen und zoologischen Gärten von Breslau, Dresden, Leipzig, Bonn, Berlin, und Hamburg gefunden, hier jedoch (noch?) nicht im Freiland. In Frankreich soll er aber schon freilebend auftreten.
Die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin wäre eine sehr gute Adresse für Forschung und Ausbildung zu diesem Thema, gäbe es sie heute noch.
Ihre Auflösung und die Umwandlung eines kleinen "Restes" in das Albrecht Daniel Thaer-Institut der Lebenswissenschaftlichen Fakultät war ein gravierender strategischer Fehler des Berliner Senats im Jahr 2014. Dieser bemühte sich bereits seit 1996 mit dem "Argument" dass Berlin keine Bauern habe, aus Kostengründen die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät zu schließen.
Die Fakultät war aus der ab 1881 so titulierten "Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin" als Nachfolger der "Königlich Preußischen Akademischen Lehranstalt des Landbaus" (ab 1819, zuvor 1806 "Landwirtschaftliches Lehrinstitut" im märkischen Rittergut Möglin) entstanden, die maßgeblich vom deutschen Agrarwissenschaftler Albrecht Daniel Thaer (1752–1828) geprägt wurde.
1934 wurden die Landwirtschaftliche und auch die Tierärztliche Hochschule in Berlin als Landwirtschaftlich-Tierärztliche Fakultät an die Berliner Universität angegliedert, diese teilte sich aber 1937 in eine landwirtschaftliche und eine veterinärmedizinische Fakultät.
Nach dem Krieg kam es wie letztlich in ganz Berlin auch zu einer Trennung der Fakultätskapazitäten in einen West- und einen Ostberliner Teil.
Im Juli 1952 beschloss die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) - die Macht ausübende Staatspartei der inzwischen in der "Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)" (entstanden nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg) gegründeten "Deutschen Demokratischen Republik" (DDR) - auf ihrer II. Parteikonferenz den "planmäßigen Aufbau des Sozialismus".
Damit verbunden war auch die „Kollektivierung“ der DDR-Landwirtschaft, die im April 1960 für erfolgreich abgeschlossen erklärt wurde.
Dies folgte der Anregung von Josef Wissarionowitsch Stalin (sowjetischer Partei- und Staatschef) vom April 1952 zur Gründung von "Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG)". Stalin hatte als Termin den Herbst 1952 festgelegt und ausdrücklich vor Zwangsmaßnahmen gewarnt und stattdessen die Schaffung von Mustergenossenschaften gefordert, aus denen eine Massenbewegung entstehen sollte.
Der SED-Agrarpolitiker und spätere "Parteifeind" Kurt Vieweg, Gründer des Instituts für Agrarökonomie an der Deutschen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften, stellte allerdings fest, dass noch 1956 92 Prozent aller LPG unrentabel arbeiteten und staatlicherseits eine Stützung in Anspruch nehmen mussten.
Die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft wurde in dem in Ostberlin verbliebenen Teil der Landwirtschaftlichen Fakultät mit der Ausbildung von Leitungskadern für die LPG unterstützt.
Im Rahmen der 3. Hochschulreform der DDR Ende der 1960er Jahre wurden die Ostberliner Fakultäten (die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät und die Veterinärmedizinische Fakultät) aufgelöst und die vier agrarwissenschaftlichen Sektionen Pflanzenproduktion, Tierproduktion und Veterinärmedizin, Gartenbau sowie Nahrungsgüterwirtschaft gegründet. Dies orientierte sich an der politisch gewollten Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion in der landwirtschaftlichen Praxis, was auch die Ausbildung von Leitern für die landwirtschaftliche und gärtnerische Praxis zum Schwerpunkt der Bildungsarbeit der Fakultät bzw. der Sektionen machte.
Grundlagenforschung wurde auch an der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (erst DAL, später AdL der DDR) konzentriert. Sowohl in den Agrarsektionen als auch an der AdL gab es Grundlagen- und angewandte Forschung.
Nach der politischen Wende von 1989 in der DDR wurden dann zum 1. September 1990 die agrarwissenschaftlichen Sektionen aufgelöst und die drei Fakultäten "Landwirtschaft und Gartenbau", "Nahrungsgüterwirtschaft und Lebensmitteltechnologie" sowie "Veterinärmedizin" gebildet.
Zum 1. Oktober 1992 entstand der gemeinsame Fachbereich "Agrar- und Gartenbauwissenschaften" an der Humboldt-Universität zu Berlin durch Zusammenführung des Fachbereiches "Internationale Agrarentwicklung" der TU Berlin und der "Fakultät für Landwirtschaft und Gartenbau" der HU Berlin.
Grundlage für die Zusammenführung der Fakultät mit dem FB 15 der TU in den Jahren 1992 - 1994 war das in Berlin beschlossene Fusionsgesetz. Das sah vor, die an allen Berliner Unis vorhandenen Agrardisziplinen zusammenzuführen und damit die Doppelexistenzen zu beenden, was durchaus sinnvoll war. Vorausgegangen war dem Beschluss ein in Auftrag gegebenes Gutachten durch den Wissenschaftsrat aus dem Jahre 1991, das den Bereichen an der HU eine gute bis sehr gute Bewertung ausstellte und deren Weiterführung empfahl, mit Ausnahme der Lebensmitteltechnologie, deren Verlagerung an die TU empfohlen wurde (der HUB-Bereich konnte schon wegen der Größe des an der TU vorhandenen Wissenschaftspotentials nicht mithalten, zumal an der HU sonst keine Technikdisziplinen vorhanden waren).
Erstaunen löste dagegen die Zusammenführung der Berliner Veterinärmedizin an der FU aus, hatte doch der WR zur FU-Veterinärmedizin eine "bescheidenes" Wertung abgegeben und ihr empfohlen, sich künftig wieder ihrer eigentlichen Rolle als Forschungs- und Lehreinrichtung zu widmen. Noch am Tag vor der Verkündung der künftigen Zuordnung ist man allgemein davon ausgegangen (auch nach Signalen aus der Senatsverwaltung), dass dies an der HU sein würde. Da hat dann wohl die Westberliner Lobby eine intensive Nachtschicht eingelegt. Von den Humboldtianern haben anschließend wohl auch nicht viele lange an der FU überlebt.
So geht das.
Herausragende wissenschaftliche Persönlichkeiten (Forscher und Hochschullehrer) hatten in zwei Jahrhunderten den Ruhm der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät in die Welt getragen:
Mit der Gründung der "Königlichen Preußischen Akademischen Lehranstalt des Landbaus" (dem direkten Vorgänger der akademischen Landwirtschaftsausbildung in Berlin) der deutsche Agrarwissenschaftler Albrecht Daniel Thaer (1752–1828), der als Begründer der Agrarwissenschaften gilt. Er hielt an der 1810 gegründeten Berliner Universität von 1810 bis 1819 als außerordentlicher Professor landwirtschaftliche Vorlesungen und gewann und publizierte während seiner Lehr- und Forschungstätigkeit in Möglin und Berlin wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Geschichte der gerade entstehenden Landwirtschaftswissenschaften maßgeblich prägten und veröffentlichte sie in etwa 450 Büchern und Schriften.
Zu Zeiten der "Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin": Der Genetiker Erwin Baur, der Pflanzenzüchter Kurt von Rümker, der Chemiker Max Delbrück und der Nobelpreisträger Eduard Buchner.
Nach der Wiedereröffnung der Landwirtschaftlich-Tierärztlichen Fakultät: Der Tierphysiologe Ernst Mangold, der Zuckertechnologe Carl Ludwig Oskar Sprengler, der Pflanzenzüchter Kurt Opitz, der Landmaschinentechniker Gustav Fischer und der Pflanzenbauwissenschaftler und Bodenkundler Eilhard Alfred Mitscherlich.
Prof. Dr. phil. Dr. agr. h. c. Wilhelm Stahl - bis 1956 Lehrauftrag für Tierzucht an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin (HUB), ab Dezember 1950 Lehrauftrag an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät und hier 1951 zum Professor mit Lehrstuhl für Tierzucht und Direktor des Instituts für Tierzüchtung und Haustiergenetik berufen, er gilt als „Vater“ der Berliner Tierzuchtschule, die auch die späteren Humboldt-Professoren Schönmuth, Triebler und Flade durchliefen. In den 60er Jahren leitete er die Tierzüchtung am AdL-Forschungszentrum Dummerstorf und in Personalunion auch an der Universität Rostock.
In der jüngeren Vergangenheit (vor allem zu DDR-Zeiten) und von mir während meines Uni-Studiums (Tierproduktion) als charismatische Redner selbst noch erlebt:
- Prof. Dr. agr. habil. Dr. h. c. mult. Ernst Lindemann (* 28.11.1936 in Kegelsmühl (Westpreußen), † 23.12.2021 in Karlsburg). Prof. Lindemann war der erste Lehrstuhlinhaber des früheren Wissenschaftsbereiches "Technologie der Tierproduktion" und später "Tierhaltungssysteme".
Als langjähriger Dekan der Landwirtschaftlich Gärtnerischen Fakultät kämpfte er wie ein Löwe um den Erhalt der Fakultät, fand aber n der Politik nicht ausreichende Unterstützung. Bekannt sind insbesondere auch seine Worte "die Weltraumforschung findet auch nicht nur im Weltraum statt".
- Prof. Dr. agr. habil. Dr. h. c. mult. Georg Schönmuth (* 27. Mai 1928 in Frankena, † 9. Juli 2016 in Neustadt (Dosse) war der "Erfinder" des "Schwarzbunten Milchrindes (SMR)" - einer angesichts der chronischen Futterknappheit in der DDR-Landwirtschaft auf Energieverwertung optimierten "Zweinutzungs-Rinderrasse" der DDR. Das SMR gibt es heute angesichts der Spezialisierung auf Milch- oder Fleischleistung wohl kaum noch. Das Verschwinden einer auf Energieverwertung - der regionalen Ressourcen - optimierten Rinderrasse ist angesichts bekannter Probleme (z.B. Regenwaldabholzung zur Sojaproduktion, Energieknappheit) nur zu bedauern.
1954 begann Georg Schönmuth als Assistent am Institut für Tierzüchtung und Haustiergenetik der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HU Berlin und promovierte 1955 zum Dr. agr. mit einem Thema zur Leistungsfähigkeit der Warmblutzucht in Brandenburg. Nach der Habilitation (1964) wurde er mit der Institutsleitung sowie als Professor mit Lehrauftrag, mit vollem Lehrauftrag und schließlich mit Lehrstuhl für allgemeine und spezielle Tierzucht beauftragt.
Auch nach der Gründung der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin im Rahmen der 3. Hochschulreform der DDR von 1968 behielt Georg Schönmuth als ordentlicher Professor die Leitung des Wissenschaftsbereiches Tierzüchtung und Haustiergenetik.
Seit 1984 Vorsitzender der Sektion Tierzüchtung und Züchtungsforschung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (AdL) der DDR fungierte er von 1985 bis 1991 als Präsident der Kommission Rinderzucht der Europäischen Vereinigung für Tierproduktion.
Seine Vorlesungen waren für mich als Student jedes mal ein Höhepunkt: Akkurat und stilvoll im Auftreten (immer klassisch im Anzug) begeisterte er mit schneidender Stimme völlig frei vortragend mit bestechender Klarheit und Logik.
- Prof. Hans Bergner (* 1. April 1930 in Ehrenfelde (Ostpreußen), † 19. September 2015in Hohen Neuendorf) wurde 1963 für die Fächer Tierernährung und Biochemie habilitiert.
1964 wurde Hans Bergner zum Direktor des Instituts für Tierernährung ernannt und wenig später zum Professor mit Lehrauftrag für das Fach Tierernährung berufen. Arbeiten zur Erweiterung der Futterbasis durch Ammonisierung von Trockenschnitzeln und zum Strohaufschluss wurden mit dem Nationalpreis für Wissenschaft und Technik der DDR II. Klasse geehrt.
Seit der Fakultätsschließung 2014 gibt es in Berlin nur noch die vergleichsweise geringen Forschungs- und Lehrkapazitäten des Albrecht Daniel Thaer-Instituts der Lebenswissenschaftlichen Fakultät, die den durch die landwirtschaftliche und gartenbauliche Praxis national wie auch international gesetzten Anforderungen jedoch keineswegs genügen können.
Eine international weithin bekannte und geachtete Forschungs- und Lehrinstitution zum Thema Ernährung, einer in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft strategisch bedeutsamen Menscheitsfrage, hat die politische Führung Berlins und auch die Leitung der HUB leichtfertig aus der Hand gegeben.
Neue Fragestellungen, die einer weltweit führenden Lehr- und Forschungsanstalt in Berlin den Universitäten in den USA ähnlich sicher auch zahlungskräftige Studierende aus dem Ausland gebracht und so einen gewinnbringenden Betrieb ermöglicht hätten, sind u.a.
- ein verändertes Klima hat veränderte Anforderungen an Sorten und Nutztierrassen, aber auch an Bodenbearbeitung, Düngung und Bewässerung zur Folge,
- gebietsfremden bzw. rückkehrenden Tierarten bedrohen die Erträge in Landwirtschaft und Gartenbau,
- Kriege sorgen für Störungen in der Produktion wie auch in der Verarbeitung und Lagerung/Vorratshaltung von Nahrungsmitteln,
- Migration verändert Struktur und Quantität des Bedarfs an Lebensmitteln,
- Strategiefindung zur Eindämmung und Bekämpfung schädlicher Tierarten,
- diesbezügliche Zielkonflikte zwischen Wirtschaft, Tierschutz, Umweltschutz, Gesundheitsschutz - d.h. zeitgleich sollen mehrere, sich teils aber widersprechende, Ziele erreicht werden!
Es bleibt zu wünschen, dass die politische Führung Berlins zu einer Korrektur der strategischen Fehlentscheidung zur Schließung der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin fähig und willens ist!
Artikel von Dr. sc. Harald Hildebrandt - © November 2024.